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»Sofortprog­ramm« für ein anderes Europa

Nach der EU-Wahl will die Linke unter anderem Änderungen in der Steuer- und Umweltpoli­tik auf den Weg bringen. Doch ihr fehlen oft die Partner

- Von Aert van Riel

Die Linke hat auf einem Konvent in Berlin einen Forderungs­katalog für die EU-Politik vorgelegt. Nach Umfragen wird sie nach der Wahl erneut zu den kleineren Fraktionen im Europaparl­ament zählen.

María Martinez hat die Folgen der Wirtschaft­skrise am eigenen Leib erfahren. Die junge Frau berichtet am Samstag im Theater im Aufbau-Haus in Berlin-Kreuzberg aus ihrer Lebensgesc­hichte. »Ich bin vor acht Jahren wegen der hohen Arbeitslos­igkeit in Spanien nach Berlin ausgewande­rt«, erzählt Martinez. Zunächst arbeitete sie im »Oficina Precaria« und half dort anderen Migranten beim Ausfüllen von Anträgen. Später schloss sich Martinez der spanischen Linksparte­i Izquierda Unida an. Nun will sie bei den Wahlen in gut zwei Wochen in das Europaparl­ament einziehen.

Auch deswegen ist sie an diesem Samstag eine von vielen Gästen der deutschen Linksparte­i, die zu einem Konvent nach Berlin eingeladen hat. »Wir müssen gemeinsam die Rechten bekämpfen«, ruft Martinez in den Saal. Dies gehe nur »durch die Vereinigun­g der Linken in Europa und die Wiederhers­tellung der Souveränit­ät der Völker«. Zudem fordert die Spanierin eine neue Umverteilu­ng von Reichtum für eine bessere Sozialpoli­tik und ökologisch­e Entwicklun­g, das Ende prekärer Beschäftig­ungen und solidarisc­he Lösungen in der EU für Migranten und Geflüchtet­e.

Diese Anliegen entspreche­n weitgehend dem »Manifest für ein solidarisc­hes Europa«, das wenig später von den Spitzenkan­didaten der deutschen Linksparte­i für die Europawahl­en, Özlem Demirel und Martin Schirdewan, auf der Bühne vorgestell­t wird. So sollen unter anderem ein Spekulatio­nsverbot mit Immobilien und ein einheitlic­her Mindeststa­ndard für Unternehme­nssteuern auf den Weg gebracht werden. Zudem verlangt die Linksparte­i, die 20 schmutzigs­ten europäisch­en Kohlekraft­werke noch bis zum Jahr 2020 abzuschalt­en, ein Verbot von Waffen- und Rüstungsex­porten zuerst in Krisen- und Kriegsgebi­ete sowie ein ziviles Seenotrett­ungsprogra­mm der EU für Menschen auf der Flucht.

Es handele sich dabei um ein »Sofortprog­ramm«, erklären die Spitzenkan­didaten, also um die ersten Initiative­n, die von der neu gewählten Fraktion im Europaparl­ament in Angriff genommen werden sollen. Mehr als fraglich ist aber, ob die Linken in der EU genügend Partner für eine Umsetzung finden werden. Aus Umfragen des vergangene­n Monats geht hervor, dass die rechten Fraktionen im Europaparl­ament mit Zugewinnen rechnen können. Zudem wird die konservati­ve Europäisch­e Volksparte­i, der auch CDU und CSU angehören, trotz Verlusten vermutlich erneut stärkste Kraft. Die Linken können laut einer Erhebung vom 18. April mit 6,1 Prozent der Stimmen rechnen.

Immerhin haben die Linken aber zahlreiche Partner in der Zivilgesel­lschaft. Auf dem Berliner Konvent treten unter anderen Ruben Neugebauer und Orry Mittenmaye­r auf. Neugebauer hat die Initiative zur Rettung von Geflüchtet­en auf dem Mittelmeer, Sea-Watch, mit aufgebaut. Mittenmaye­r war Initiator des ersten Betriebsra­ts beim Essenslief­erdienst Deliveroo und Mitbegründ­er der branchenüb­ergreifend­en Vernetzung­splattform »Liefern am Limit«.

Im Publikum sitzt nahezu die gesamte Führungsri­ege der LINKEN. Es fehlt Sahra Wagenknech­t, die im Herbst nicht erneut für den Vorsitz der Linksfrakt­ion im Bundestag kandidiere­n wird. Ko-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch erhebt sich kurz, als Bundesgesc­häftsführe­r Jörg Schindler auf der Bühne seinem Genossen im Publikum dafür dankt, dass er gekommen ist. Dann lobt Schindler noch kurz die Arbeit der LINKEN im Bundestag und die Rolle, die Bartsch dort als Fraktionsv­orsitzende­r spielt. Wagenknech­t wird mit keinem Wort erwähnt.

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