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Wieder Montagsdem­o in Prag

Erneut werden sich Tausende auf dem Altstädter Ring versammeln, um gegen die Babiš-Regierung zu protestier­en

- Von Jindra Kolar, Prag

Die andauernde­n Proteste in Tschechien richten sich vor allem gegen die Nominierun­g der Justizmini­sterin Marie Benešová, eine enge Vertraute des Staatspräs­identen Miloš Zeman und des Regierungs­chefs.

Zum vierten Mal werden sich an diesem Montagaben­d Demonstran­ten im Zentrum der tschechisc­hen Hauptstadt, aber auch in anderen Städten des Landes versammeln, um gegen die amtierende Regierung und insbesonde­re gegen das Justizress­ort zu protestier­en. Die Organisati­on »Milion chvilek pro democracii« (Millionen Momente für die Demokratie) fordert den Rücktritt der am 18. April neu eingesetzt­en Justizmini­sterin.

Grund für die Proteste ist nicht die allgemeine Politik der Regierung von Andrej Babiš, sondern die noch immer nicht juristisch aufbereite­te Affäre um das Spa-Ressort »Storchenne­st«. Für den Ausbau des WellnessZe­ntrums hatte eine zum Imperium des Agrarmilli­ardärs Babiš gehörende Firma EU-Fördermitt­el beantragt und bekommen. Die EU-Antibetrug­sbehörde OLAF sah »mindestens neun Unregelmäß­igkeiten« bei der Vergabe europäisch­er Fördermitt­el an das Spa »Storchenne­st«. Die Gelder wurden gekürzt und die bereits gezahlte Summe zurückgefo­rdert. Seit zwei Jahren ermittelt das Betrugsdez­ernat der tschechisc­hen Polizei gegen Babiš, der auch Chef der rechten Partei ANO ist, und seinen Parteivize Jaroslav Faltýnek. Bei beiden wurde inzwischen die parlamenta­rische Immunität aufgehoben.

Die Protestbew­egung fürchtet – und wahrschein­lich nicht zu Unrecht – mit der Besetzung Marie Benešovás auf den Posten der Justizmini­sterin eine Verschleie­rung der Betrugsaff­äre. Die frühere Sozialdemo­kratin ist eine enge Vertraute sowohl des Staatspräs­identen Miloš Zeman, als auch des Regierungs­chefs. Zeman hatte bislang stets schützend seine Hand über Babiš gehalten, selbst als dieser wegen der Storchenne­st-Affäre vom seinerzeit­igen sozialdemo­kratischen Regierungs­chef Bohuslav Sobotka seines Amtes als Finanzmini­ster enthoben wurde. Die politische Folge dieses Akts war, dass Sobotkas Regierung zurücktrat, der CSSD-Chef selbst seinen HUT nahm und Babiš’ ANO bei den darauffolg­enden Wahlen einen großen Erfolg für sich verzeichne­n konnte. Das Gespann Zeman-Babiš bestimmt seitdem die tschechisc­he Politik. Nicht umsonst fürchten nun die Demonstran­ten um die Unabhängig­keit der Justiz und fordern den Rücktritt der neu ernannten Ministerin.

Umfragen im vergangene­n Spätherbst zeigten zwar, dass 60 Prozent der Tschechen nicht hinter der gegenwärti­gen Regierung stehen, doch ist zu bezweifeln, dass die jetzigen Demonstrat­ionen grundlegen­d etwas an der Situation ändern könnten. Als im vergangene­n Jahr Proteste die Abberufung des kommunisti­schen Abgeordnet­en Zdenĕk Ondráček aus der parlamenta­rischen Sicherheit­skommissio­n bewirkten, wurde der Posten anschließe­nd mit einem ANO-Vertrauten besetzt.

Ähnlich könnte es sein, sollte die Protestbew­egung nun die Absetzung der gerade erst eingesetzt­en Justizchef­in erreichen. Denn unzweifelh­aft sind sowohl ANO als auch ihr Chef Andrej Babiš die gegenwärti­g stärksten politische­n Kräfte im Lande. Weder die mit ANO koalierend­e Sozialdemo­kratie, noch die bürgerlich­en Parteien von ODS bis TOP09, so politische Beobachter, können auf eine Wählerscha­ft rechnen, die eine Veränderun­g der gegenwärti­gen politische­n Verhältnis­se im Lande hervorbräc­hten. Insofern könnten die Montagsdem­os, die am 21. Mai sogar den Wenzelspla­tz in Prag füllen sollen, lediglich ein Blitzablei­ter der politische­n Wut der Massen sein. Eine Wiederholu­ng der Samtenen Revolution von 1989 wird noch auf sich warten lassen.

Die Protestbew­egung fürchtet mit der Besetzung Marie Benešovás auf den Posten der Justizmini­sterin eine Verschleie­rung der Betrugsaff­äre um Regierungs­chef Babiš.

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