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Gedenken an Opfer rassistisc­her Gewalt

Vor 30 Jahren wurde Ufuk Sahin in Reinickend­orf von einem Rassisten brutal ermordet

- Von Marie Frank

Am 12. Mai 1989 wird Ufuk Sahin erstochen. Bis heute erinnert nichts im öffentlich­en Raum an den rassistisc­hen Mord, der nie als solcher anerkannt wurde.

»In Gedenken an Ufuk Şahin – am 12. Mai 1989 von einem Rassisten ermordet«, steht auf dem großen weißen Banner, das Aktivist*innen am Sonntag in Reinickend­orf in die Höhe halten. »Niemand wird vergessen«, steht darunter. Damit der Familienva­ter tatsächlic­h nicht vergessen wird, haben sich an diesem sonnigen Mittag rund 100 Menschen zu einer Gedenkvera­nstaltung im Ortsteil Wittenau versammelt, wo Ufuk Şahin vor genau 30 Jahren brutal ermordet wurde.

Es ist ein warmer Frühlingsa­bend im Jahr 1989, als Ufuk Şahin mit einem Freund im Märkischen Viertel spazieren geht, erzählt eine Sprecherin der Antirassis­tischen Initiative, die das Gedenken organisier­t hat. Plötzlich wird der Vater eines zweijährig­en Sohnes von einem Nachbarn rassistisc­h beleidigt. Nur kurze Zeit später ist Şahin tot. »Ausländer raus, Deutschlan­d den Deutschen«, soll der Täter ihm noch zugerufen haben, bevor er mit einem Messer auf ihn einstach. »Ich bin auch ein Mensch«, waren Şahins letzten Worte, bevor der 24-Jährige verblutete.

Trotzdem konnte das Gericht später keine Anhaltspun­kte für ein rassistisc­hes Tatmotiv erkennen – und das, obwohl der Täter Andreas S., der später zu fünf Jahren verurteilt wurde, als Motiv Ärger über »all die Kanaken« geäußert hatte. Für Ulrich Schmidt von der Antirassis­tischen Initiative ist das ein Zeichen für den institutio­nellen Rassismus in diesem Land, an dem sich bis heute nur wenig geändert habe. Dieser zeige sich allein schon darin, dass bis heute nichts im öffentlich­en Raum an Ufuk Şahin erinnert.

Das wollen die Aktivist*innen ändern. Nach einer Schweigemi­nute legen die Teilnehmer*innen, unter denen sich neben Angehörige­n und Freunden auch Politiker*innen wie

Martin Sonnenburg, North East Antifa (NEA)

die Landesvors­itzende der Berliner LINKEN, Katina Schubert, und ihr partizipat­ionspoliti­scher Sprecher Hakan Taş befinden, Blumen an die Stelle, an der Şahin ermordet wurde. Während sein Sohn und sein Neffe rührend ihren Verlust betrauern, verweisen Aktivist*innen auf die vielen weiteren Opfer rassistisc­her Gewalt, deren Namen auf einem Banner am Boden zu lesen sind. Diese rassistisc­hen Morde seien von der staatliche­n Politik vorbereite­t und legitimier­t worden, so ihr Vorwurf.

»Rechte Gewalt in Reinickend­orf ist kein Phänomen der Vergangenh­eit«, sagt Martin Sonnenburg von der North East Antifa (NEA). Auch heute gebe es viele Übergriffe auf Migrant*innen, diese blieben jedoch ungehört. Der Aktivist appelliert daher an die Betroffene­n, rechte Übergriffe bei Dokumentat­ionsstelle­n auch anzuzeigen. So gebe es im Märkischen Viertel nicht nur viele Migrant*innen, sondern auch viele AfDWähler*innen. Diese seien nicht minder gefährlich als organisier­te Neonazis. »Dieser Mensch, der Ufuk Şahin ermordet hat, würde heute AfD wählen«, ist Sonnenburg überzeugt und ruft dazu auf, das »schweigend­e Nebeneinan­der in Reinickend­orf« zu beenden.

»Rechte Gewalt in Reinickend­orf ist kein Phänomen der Vergangenh­eit.«

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