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Kommunalwa­hlen im Kohl-Land

In Rheinland-Pfalz wird parallel zur Europawahl auf Gemeindeeb­ene abgestimmt – die LINKE hofft auf Besserung

- Von Hans-Gerd Öfinger, Mainz

Im seit Jahrzehnte­n SPD-regierten Rheinland-Pfalz ist die CDU auf Kommunaleb­ene deutlich stärker. Hier ist man sauer auf die schlechte Finanzauss­tattung. In zwei Wochen wird neu gewählt.

Rheinland-Pfalz ist eines von zehn Bundesländ­ern, in denen das Wahlvolk zeitgleich mit der Wahl zum EUParlamen­t am 26. Mai auch über die Neubesetzu­ng der Räte auf kommunaler Ebene abstimmt. In dem VierMillio­nen-Einwohner-Land zwischen Pfälzer Wald, Eifel und Westerwald sind rund 3,1 Millionen Menschen mit deutschem Pass sowie knapp 100 000 EU-Staatsange­hörige wahlberech­tigt. Um eines der 32 000 Ratsmandat­e in Ortsbezirk­en, Orts- und Verbandsge­meinden, Landkreise­n, kreisfreie­n Städten sowie dem pfälzische­n Bezirkstag bewerben sich nach Angaben des Landeswahl­leiters rund 67 000 Frauen und Männer. Zudem sind in direkter Wahl auch 2260 Bürgermeis­ter- und 450 Ortsvorste­herposten zu besetzen. Da in 465 kleineren Ortschafte­n kein einziger Bürgermeis­terkandida­t ins Rennen geht, müssen die neu gewählten Räte über die Besetzung der Chefposten abstimmen.

In allen 24 Kreistagen und den Stadträten der zwölf kreisfreie­n Städte treten SPD, CDU, FDP, die Grünen und die LINKE mit eigenen Listen an. Nahezu flächendec­kend ist die Rechtspart­ei AfD vertreten, die 2016 mit 12,6 Prozent den Sprung in den Landtag schaffte. Sie steht lediglich im ländlichen Kreis Birkenfeld und im kreisfreie­n Neustadt an der Weinstraße nicht auf dem Stimmzette­l. Neben kleineren Parteien spielen vor allem in ländlichen Regionen auch nicht parteigebu­ndene Wählergrup­pen eine Rolle.

Während das traditione­ll konservati­v geprägte Rheinland-Pfalz seit 1991 kontinuier­lich von der SPD regiert wird und die CDU im Land von Ex-Kanzler Helmut Kohl bald drei Jahrzehnte die Opposition­sbänke im Mainzer Landtag drückt, hatten die Konservati­ven bei fast allen Kommunalwa­hlen seit 1948 klar die Nase vorn. 2014 errangen die Christdemo­kraten auf Ebene der Landkreise und kreisfreie­n Städte 38,6 Prozent und ließen damit die Sozialdemo­kraten mit 28,8 Prozent weit hinter sich.

Eine Besonderhe­it im Südwesten ist der Bezirkstag Pfalz, der in der Nachkriegs­zeit geschaffen wurde, um das Selbstverw­altungsrec­ht der Pfälzer Bevölkerun­g im Süden des damals neu gebildeten Bundesland­es zu verkörpern. Er ist als höherer Kommunalve­rband zwischen der Landeseben­e und den 16 Kreisen bzw. kreisfreie­n Städten angesiedel­t. Zu seinen Zuständigk­eitsbereic­hen gehören kulturelle Einrichtun­gen, das Pfalzklini­kum für Psychiatri­e und Neurologie, das Biosphären­reservat Pfälzer Wald/Nordvogese­n und der Energiever­sorger Pfalzwerke.

Der Urnengang am 26. Mai wird überschatt­et von einem Konflikt zwischen den Kommunen und der Landesregi­erung über die Kommunalfi­nanzen. Insgesamt habe das Land den Städten und Kreisen von 1991 bis 2020 rund 13 Milliarden Euro entzogen, beklagen die kommunalen Spitzenver­bände. Sieben der zehn kommunalen Gebietskör­perschafte­n mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldu­ng liegen laut einer Studie der Bertelsman­n-Stiftung in Rheinland-Pfalz. Ganz oben rangiert das kreisfreie Pirmasens. Die Stadt, einst Hochburg der Schuhindus­trie, ist durch gähnende Leere in Fabrikgebä­uden, überdurchs­chnittlich hohe Arbeitslos­igkeit, Armut und Abwanderun­g geprägt. Eine Trendwende ist nicht in Sicht und dürfte auch nicht vom Konsumtour­ismus und Eventshopp­ing ausgehen, womit die Stadt Scharen von kaufkräfti­gen Kunden aus allen Himmelsric­htungen anzulocken versucht.

Die rheinland-pfälzische LINKE, die nach wie vor nicht im Landtag sitzt, tritt in etlichen Kommunen überhaupt zum ersten Mal mit eigenen Listen an, zum Beispiel in der Kreisstadt Ingelheim (Landkreis Mainz-Bingen). Ihr Spitzenkan­didat Rolf Henrich war erst vor Kurzem von der SPD übergetret­en. Eine bessere kommunale Verankerun­g soll nach dem Willen der Akteure in zwei Jahren den Weg für den Einzug in das Landesparl­ament ebnen. Linke Kommunalpo­litiker halten sich zugute, dass sie schon jetzt mit ihren Anträgen ein starkes Echo finden. So erklärte der Mainzer Stadtrat kürzlich auf Antrag der Linksfrakt­ion die Landeshaup­tstadt im Rahmen der Hilfsaktio­n »Seebrücke« zum »Sicheren Hafen«. Er befürworte­te die Aufnahme von aus Seenot geretteten Geflüchtet­en und verurteilt­e jede Kriminalis­ierung der Seenotrett­ung.

Ein weiterer Erfolg: Im Bezirkstag Pfalz wurde jüngst ein LINKE-Antrag zur Ermittlung möglicher NS-Raubkunstg­egenstände in den regionalen Museen angenommen und an den Kulturauss­chuss überwiesen. Im Rhein-Hunsrück-Kreis verfehlte ein Antrag der Linksfrakt­ion zur Gründung einer kommunalen Wohnbauges­ellschaft und Schaffung von kostengüns­tigem Wohnraum in Trägerscha­ft des Kreises die Mehrheit – aber nur ganz knapp.

Der Urnengang am 26. Mai wird überschatt­et von einem Konflikt zwischen den Kommunen und der Landesregi­erung über die Kommunalfi­nanzen.

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