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Wenn die Kunst zu den Kindern kommt

Ein mobiler Museumsbus fährt in Sachsen übers Land und macht an insgesamt 65 Grundschul­en Halt

- Florence Thurmes, Projektlei­terin Von Heidrun Böger, Pobershau »Auch das Museum ist im 21. Jahrhunder­t angekommen.«

Die Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden gehen neue Wege, um Kindern den spielerisc­hen Umgang mit zeitgenöss­ischer Kunst zu ermögliche­n.

Gehen Kinder gern ins Museum? Die meisten wohl nur widerwilli­g, wenn Mama und Papa sie mitnehmen. Mehr Begeisteru­ng wecken möchte ein Team der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden, das seit mehreren Wochen mit einem mobilen Museum von Bischofswe­rda bis Frohburg übers Land fährt.

»Ich baue die Moritzburg, da war ich schon mal mit Mama und Papa«, sagt Shelby. Die Achtjährig­e macht sich gemeinsam mit ihren gleichaltr­igen Freundinne­n Maylin und Selina ans Werk. Eigentlich hätten sie jetzt Ethik beziehungs­weise Religion, aber: »Das hier macht viel mehr Spaß.«

Zuvor hatte Maria Migawa ihnen und ihren Mitschüler­n erklärt, worum es geht: Der dänisch-isländisch­e Künstler Olafur Eliasson lädt sie ein, gemeinsam ein Kunstwerk aus Legosteine­n zu schaffen. Alle Klötzchen sind weiß, und es gibt sehr viele davon. Die Steine befinden sich auf einem Tisch und einem mit Teppich ausgelegte­n Podest in einem umgebauten Stadtbus, der heute vor der Grundschul­e in Pobershau steht, einem Ortsteil von Marienberg im Erzgebirge. Das Gefährt ist den ganzen Tag da, denn alle 80 Kinder der einzügigen Grundschul­e sollen die Gelegenhei­t haben, zu erleben, was Kunst bedeutet. Jede Klasse hat eine Stunde Zeit.

Leiterin Florence Thurmes erklärt die Idee des Projekts: »Wir wollen zeitgenöss­ische Kunst erlebbar machen. Auch das Museum ist im 21. Jahrhunder­t angekommen und entwickelt sich weiter. Wir sehen das Publikum nicht nur als Betrachter, sondern auch als Nutzer der Kunst.« Interaktiv­ität ist laut Thurmes gefragt. Man wolle ein Netzwerk aufbauen mit Schulen, die interessie­rt sind und dranbleibe­n. Bereits von 2011 bis 2015 war in Sachsen ein Museumsbus unterwegs. Damals ging es darum, die Schulklass­en nach Dresden zu holen und ihnen das Albertinum nahezubrin­gen. Das Projekt wurde aus finanziell­en Gründen eingestell­t. Doch jetzt gibt es neue Fördermitt­el. Der Freistaat Sachsen finanziert das Projekt, Drittmitte­l von Stiftungen sollen noch dazukommen.

Sehr erfolgreic­h war die »Kinderbien­nale. Träume und Geschichte­n«, die Ende 2018/Anfang 2019 in Dresden Tausende Kinder und ihre Eltern ins Japanische Palais zog. Dort setzten sie die Idee von Olafur Eliasson um und erschufen ein sechs Meter hohes Bauwerk aus weißen Legosteine­n – Visionen einer zukünftige­n Stadt. Es ging um das Zusammenko­mmen und gemeinsame Tätigwerde­n. Der Erfolg war so groß, dass das Team der Staatliche­n Kunstsamml­ungen Dresden die Idee hatte, mit dem Museumsbus als mobiler Satelliten­station der Ausstellun­g in sächsische Städte und Dörfer zu fahren. Hunderte Schulen wurden angefragt, 65 antwortete­n. Zu allen fährt der Bus. Das Projekt startete Mitte März und geht bis Juni. Danach wird das mobile Museum für eine andere Ausstellun­g umgebaut und tourt weiter.

Cornelia Dreher, Schulleite­rin in Pobershau, erklärt ihre Motivation: »Als ich die Anfrage aus Dresden las, haben wir uns gleich beworben. Das ist eine schöne Abwechslun­g im Schulallta­g, die Kinder haben sich schon seit Tagen darauf gefreut.« Außerdem sei Pobershau sehr abgelegen, Dresden gefühlt weit weg und schlecht zu erreichen. Da sei es schwer, mit den Kindern zu den Staatliche­n Kunstsamml­ungen zu fahren.

Es gibt Regeln für das gemeinscha­ftliche Bauen am Kunstwerk, die Maria Migawa den Kindern erläutert: Bereits Gebautes dürfe nicht zerstört werden, man könne aber weiterbaue­n. Was genau, ist jedem Kind selbst überlassen.

Zum Schluss wird noch gemeinsam diskutiert. Als Shelby und die anderen Kinder der 2. Klasse den Bus verlassen, hinterlass­en sie unter anderem eine Biene und einen Panzer. Die Moritzburg ist nicht dabei. Mit Sicherheit erzählen die Kinder abends begeistert den Eltern vom Bus aus Dresden – vielleicht wollen sie jetzt doch mal ins Museum.

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