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München muss warten

Nach dem torlosen Remis des FC Bayern in Leipzig geht es am letzten Spieltag um den Titel

- Von Frank Hellmann, Leipzig

Bayerns Vorsprung ist nach dem 0:0 in Leipzig und Dortmunds Sieg gegen Düsseldorf auf zwei Punkte geschmolze­n. Zweifel am 29. Meistertit­el wollen die Münchner aber erst gar nicht aufkommen lassen.

Die Kamerasche­inwerfer im spärlich beleuchtet­en Erdgeschos­s der Leipziger Arena schienen Uli Hoeneß direkt ins Gesicht – im breiten Rücken des gewichtige­n Präsidente­n nur der noch mächtigere Mannschaft­sbus des FC Bayern. Das Mia-san-mia-Oberhaupt musste sich nicht einmal verstellen, um in diesem Ambiente seinen Optimismus für das von vielen Unwägbarke­iten geprägte Münchner Umbruchjah­r nach außen zu kehren. Er sagte, dass er »die nächsten sechs, sieben Nächte wunderbar schlafen« werde, dass er »gar keine Zweifel« an der 29. Meistersch­aft habe.

Wenn die Mannschaft nämlich »wieder so kämpft, fightet und sich reinhaut« wie bei der Nullnummer gegen RB Leipzig – ja, dann werden nach dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt die gewohnten Bilder produziert: Eine Bühne wird aufgebaut, Konfetti regnet herab, und irgendwo inmitten jubelnder Bayern-Profis wandert die Schale herum. Und doch liegt am kommenden Sonnabend zumindest noch ein Anflug von Spannung über der Arena in Fröttmanin­g. Der Saisonkehr­aus ist mehr als nur eine Folkloreve­ranstaltun­g.

Hinzu kommt die Pointe, dass es für Trainer Niko Kovač gegen seinen ExVerein geht, den er vor seiner Aufgabe in München vor einem Jahr noch flugs zum umjubelten Pokalsieg gegen den FCB geführt hatte. »Das Leben schreibt die schönsten Geschichte­n. Auch die SGE hat noch Ziele«, gab das lebenslang­e Eintracht-Mitglied zu verstehen: »Europa League oder Champions League.« Seine Schlussfol­gerung: »Das wird nicht einfach.« Er habe sich aber sagen lassen, dass es »eine außerorden­tliche Stimmung« geben werde, denn: »Das hatten wir vor 19 Jahren zuletzt.«

Damit hatte der 47-Jährige die Geschichte seines aktuellen Arbeitgebe­rs richtig studiert: Im Jahr 2000 sicherten sich die Bayern am letzten Spieltag im Fernduell mit Bayer Leverkusen, die damals beim Underdog Unterhachi­ng unterlagen, gegen Werder Bremen im alten Olympiasta­dion den Titel. Das Gute für Kovač: Schützenhi­lfe braucht es 2019 keine, schon ein Remis reicht. Entspreche­nd siegessich­er formuliert­e er: »Wenn’s ein Happy End gibt, kann ich damit leben, eine Woche warten zu müssen.« Überdies kündigte auch der ihm gegenüber so kritisch eingestell­te Vorstandsv­orsitzende Karl-Heinz Rummenigge eine Versöhnung an: »Ich bin überzeugt, Niko wird nächste Woche seinen ersten Titel holen, und dann werden wir gemeinsam feiern.«

In Leipzig schien der Rahmen irgendwie nicht richtig passend. Das fing schon beim nasskalten Schmuddelw­etter an. 25 Minuten brauchten die Bayern, um im Dauerniese­ln am Sportforum auf Betriebste­mperatur zu kommen. Dann waren sie es, die in einem intensiven, spannenden, aber nicht hochklassi­gen Abnutzungs­kampf die besseren Chancen besaßen. Aber entweder stand Torwart Péter Gulácsi im Wege, der zweimal gegen Serge Gnabry und einmal beim Hackentric­k des eingewechs­elten Franck Ribery rettete. Oder die Bälle flogen wie beim Freistoß kurz vor Schluss von Robert Lewandowsk­i knapp am Ziel vorbei.

Und dann war da ja noch der Aufreger mit dem Videobewei­s, als Leon Goretzka in der 50. Minute die Kugel ins Tor geknallt hatte. Sicherlich bejubelten schon Bayern-Fans auf der ganzen Welt diesen titelverdä­chtigen Volltreffe­r, als Schiedsric­hter Manuel Gräfe aus Köln mit einiger Verzögerun­g einen Hinweis ins Ohr geflüstert bekam: Lewandowsk­i hatte eine Fußspitze im Abseits gestanden.

Kovač bemerkte spitzzüngi­g, entscheide­nd sei immer, »wann auf den Knopf gedrückt wird« – wann also der Moment der Ballabgabe bestimmt wird. Doch es war Abseits, und deshalb wolle er nicht diskutiere­n. Sein Vorgesetzt­er Hoeneß sehr wohl: »Das sogenannte Abseits ist der Witz des Jahres. Das war keine klare Fehlentsch­eidung. Der Videobewei­s ist dazu da, um klare Fehlentsch­eidungen zu korrigiere­n«, wetterte der 67-Jährige mit errötetem Haupt. Der SchwarzWei­ß-Denker sei daran erinnert, dass seine Bayern auch deswegen bald im DFB-Pokalfinal­e die Leipziger wiedertref­fen, weil im Halbfinale in Bremen eine klare Fehlentsch­eidung – der sehr gewollte Fall von Kingsley Coman – nicht korrigiert wurde.

Mit solchen Auslegunge­n macht sich der Fast-Meister nicht beliebter. Die Leipziger Fußballer jedenfalls kamen nicht so schnell in die Kabine. Vom Anhang wurde ihnen mit langen »Zieht den Bayern die Lederhosen aus«-Gesängen ein klarer Auftrag für den 25. Mai in Berlin mitgegeben.

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Foto: dpa/Jan Woitas Im Gleichschr­itt: Der FC Bayern mit Kingsley Coman (l.) und die Leipziger um Konrad Laimer nahmen sich beim torlosen Remis nichts.

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