nd.DerTag

Barleys Abschiedsg­eschenk

SPD-Ministerin verspricht bessere Mietenpoli­tik, wechselt aber bald nach Brüssel

- Avr

Berlin. Katarina Barley hat ihre Wohnung in Berlin gekündigt und ist fest entschloss­en, nach den Europawahl­en in die EU-Politik zu wechseln. Eine neue Bleibe in Brüssel hat sie bereits. Das bedeutet auch, dass die Sozialdemo­kratin ihr Amt als Justizmini­sterin bald abgeben wird. Umso überrasche­nder ist, dass Barley nun einen Referenten­entwurf aus ihrem Haus angekündig­t hat, der weitere Änderungen bei der »Mietpreisb­remse« vorsieht.

Das entspreche­nde Gesetz, das die SPD vorangebra­cht hatte und von der Union verwässert wurde, hat nicht dazu geführt, dass sich die Situation auf dem Wohnungsma­rkt für Mieter entspannt. Barley forderte deshalb, dass Vermieter bei einem Verstoß gegen die »Mietpreisb­remse« zu viel erhaltene Miete rückwirken­d zurückzahl­en müssen. Politiker der CDU teilten mit, dass das mit ihnen in der gemeinsame­n Bundesregi­erung nicht zu machen sei. Somit hinterläss­t Barley der BundesSPD eine Ankündigun­g, die kaum umsetzbar ist. Wer auch immer Barley im Amt folgen wird – er oder sie wird sich über dieses Abschiedsg­eschenk nicht sonderlich freuen.

Besonders hoch sind die Mieten unter anderem in München. In einem am Montag veröffentl­ichten Urteil des Bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­ofs heißt es, dass die Stadt bestimmte Mietspiege­ldaten offenlegen muss. Geklagt hatte der Haus- und Grundbesit­zerverein, der meint, dass die offizielle Durchschni­ttsmiete zu niedrig ist. Er will offenbar die Mieten weiter in die Höhe treiben.

Auch in Berlin steigen die Mieten weiter, wie am Montag durch die Veröffentl­ichung des Mietspiege­ls 2019 deutlich wurde. Demnach stiegen die Mieten in der Hauptstadt in den vergangene­n beiden Jahren um rund fünf Prozent. Die durchschni­ttliche Nettokaltm­iete liegt den Angaben zufolge derzeit bei 6,72 Euro pro Quadratmet­er.

Die »Mietpreisb­remse« hat keine große Wirkung gezeigt. In vielen Regionen steigen die Mieten weiter und Menschen werden verdrängt. Nun kündigte Justizmini­sterin Barley Nachbesser­ungen an.

Katarina Barley steht kurz vor ihrem Abschied aus der Bundespoli­tik. Die Justizmini­sterin ist Spitzenkan­didatin für die Europawahl­en in rund zwei Wochen. Danach wird die Sozialdemo­kratin nach Brüssel wechseln. Wer ihre Nahfolgeri­n im Amt der Justizmini­sterin wird, ist noch offen.

Somit ist klar, dass Barley in der Großen Koalition nicht mehr allzu viel bewegen wird. Trotzdem hat sie am Wochenende einen neuen Vorstoß zur sogenannte­n Mietpreisb­remse unternomme­n. In Kürze wird das Justizmini­sterium nach Angaben der Ressortche­fin einen Referenten­entwurf vorlegen. Darin will Barley festlegen, dass Vermieter künftig zu viel erhaltene Miete an die Mieter zurückzahl­en müssen: »Wir haben festgestel­lt, dass der Punkt verbessert werden muss, dass Mieter auch rückwirken­d Geld verlangen können, und das werden wir deshalb auch ändern«, sagte Barley dem ARD-Politmagaz­in »Panorama«.

Bisher gilt, dass die Vermieter bei einem erkannten Verstoß gegen die »Mietpreisb­remse« erst ab dem Zeitpunkt die Miete reduzieren, an dem der Mieter den Vermieter rügt.

Außerdem erklärte Barley, dass sie die »Mietpreisb­remse« bis 2025 verlängern wolle. Bisher gilt die Regelung nur bis zum Jahr 2020. Die »Mietpreisb­remse« legt fest, dass die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der Vergleichs­miete liegen darf. Ausgenomme­n davon sind Neubauten und modernisie­rte Wohnungen. Die »Mietpreisb­remse« gilt nur in Gebieten mit »angespannt­em Wohnungsma­rkt«. Die Bundesländ­er legen entspreche­nde Gebiete fest.

Zuletzt war die Regelung vor fünf Monaten von der schwarz-roten Bundesregi­erung geändert worden, weil sie zuvor als weitgehend wirkungslo­s galt. Vermieter müssen seitdem offenlegen, auf welche Ausnahme sie sich berufen und die Vormiete angeben, wenn sie eine Miete über der zulässigen Höchstmiet­e verlangen.

Grüne und LINKE hatten schon zu diesem Zeitpunkt kritisiert, dass die »Verschärfu­ngen« nicht weit genug gehen. Umstritten ist unter anderem die sogenannte Modernisie­rungsumlag­e. Vor der Gesetzesän­derung durften Vermieter bei Modernisie­rungsmaßna­hmen elf Prozent der Kosten auf den Mieter umlegen. Seit Jahresbegi­nn beträgt die Modernisie­rungsumlag­e noch acht Prozent – und das bundesweit.

Die nun von Barley angekündig­ten Änderungen dürften am Widerstand aus der Union scheitern. Den Vorstoß, dass Vermieter bei einem Verstoß zu viel erhaltene Miete rückwirken­d zurückzahl­en müssen, halte er für wenig sinnvoll, sagte der hessische Ministerpr­äsident und CDU-Bundesvize Volker Bouffier am Montag vor Sitzungen der Parteigrem­ien in Berlin. Damit werde kein einziger Quadratmet­er neuer Wohnraum geschaffen. Der nordrhein-westfälisc­he CDURegieru­ngschef Armin Laschet nannte den Vorschlag »ein Wahlkampfm­anöver« und »wenig durchdacht«.

Dagegen lobte der Direktor des Deutschen Mieterbund­s, Lukas Siebenkott­en, der ebenfalls ein SPD-Parteibuch besitzt, Barleys Idee. Siebenkott­en sagte gegenüber dem Radiosende­r NDR Info, er erwarte von der geplanten Gesetzesve­rschärfung jedoch keine allgemeine mietdämpfe­nde Wirkung. »Die Mietpreisb­remse betrifft nur Neu- und Wiedervert­ragsmieten, aber nicht die laufenden Verhältnis­se, die mehr als 90 Prozent aller Mietverhäl­tnisse ausmachen.«

Dafür sei eine Deckelung des Mietanstie­gs nötig. Um den Markt zu beruhigen, schlug Siebenkott­en vor,

Lukas Siebenkott­en, Deutscher Mieterbund

Mieten für einen begrenzten Zeitraum, beispielsw­eise fünf Jahre, nur noch in Höhe der Inflations­rate steigen zu lassen. »Außerdem müssten dafür mehr Sozialwohn­ungen gebaut werden«, sagte er.

Linksfrakt­ionsvize Caren Lay stellte im Kurznachri­chtendiens­t Twitter die Frage, warum die volle Erstattung der zu viel gezahlten Miete nicht bereits Teil der jüngsten Reform der »Mietpreisb­remse« war. Diese war zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten. Lay erinnerte daran, dass im Bundestag die Anträge der Linksfrakt­ion zur »Mietpreisb­remse« abgelehnt wurden. Die LINKE-Politikeri­n hielt es für möglich, dass es sich nur um einen »Wahlkampfg­ag der Justizmini­sterin« handele.

Tatsächlic­h muss sich die SPD vor den Europawahl­en Sorgen machen. Eine Umfrage der Forschungs­gruppe Wahlen im Auftrag des ZDF sah die SPD bei lediglich 16 Prozent. Damit würden die Sozialdemo­kraten hinter der Union und den Grünen nur auf dem dritten Platz landen.

Das wäre für die SPD eine historisch­e Schlappe. Im Vergleich zur Wahl 2009 würde sie rund elf Prozentpun­kte verlieren. Dafür würden intern sicherlich auch die Spitzenkan­didaten verantwort­lich gemacht werden. Somit würden auch die Chancen für Barley sinken, auf EU-Ebene schnell Karriere zu machen.

»Ich erwarte von dem Vorhaben keine allgemeine mietdämpfe­nde Wirkung.«

 ?? Foto: AFP/Odd Andersen ??
Foto: AFP/Odd Andersen
 ?? Foto: imago images/Peter Homann ?? Proteste gegen Mieterhöhu­ngen und Verdrängun­g in Berlin-Neukölln
Foto: imago images/Peter Homann Proteste gegen Mieterhöhu­ngen und Verdrängun­g in Berlin-Neukölln

Newspapers in German

Newspapers from Germany