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Offener Brief zu Genozid in Namibia

Herero und Nama müssen an Gesprächen teilhaben

- Von Ulrike Wagener

Eine Entschuldi­gung ist keine leichte Sache. Genau genommen kann man sich nicht selbst entschuldi­gen, sondern nur eine andere Partei um Entschuldi­gung bitten. Ihr ist es dann überlassen, die Entschuldi­gung anzunehmen.

Wenn die seit 2014 laufenden bilaterale­n Gespräche zwischen Deutschlan­d und Namibia über die Folgen des Genozids an den Herero und Nama (1904-1908) zum Abschluss kommen, wird es vermutlich eine offizielle Entschuldi­gung seitens der Bundesregi­erung geben. Doch ob die betroffene­n Gruppen diese Entschuldi­gung annehmen werden, wird zunehmend unwahrsche­inlicher.

Darauf wiesen in der letzten Woche mit einiger Dringlichk­eit Vertreter*innen aus Wissenscha­ft, Kunst und Recht in einem offenen Brief an die Bundesregi­erung hin. Sie hatten im März die Konferenz »Woche der Gerechtigk­eit« in Namibia besucht.

Für Jürgen Zimmerer, Leiter des Forschungs­zentrums Hamburgs (post-)koloniales Erbe und Mitunterze­ichner des Briefes, hat sich dort das heilende Potenzial eines wirklichen Dialogs mit allen selbstgewä­hlten Vertreter*innen der Herero und Nama angedeutet. Dies sei derzeit jedoch nicht gegeben.

Deutschlan­d verhandelt mit Namibia zudem nicht über Reparation­en, sondern über »Entwicklun­gshilfe«. Anstatt vergan

»Es geht darum, einen Prozess zu initiieren, den die Betroffene­n als gerecht wahrnehmen.«

Zitat aus dem Brief

genes Unrecht anzuerkenn­en und zu entschädig­en, versetzt sich Deutschlan­d so auch sprachlich in die Rolle zu »helfen«.

Dieses postkoloni­ale Verhältnis ist es auch, das in einer Sammelklag­e vor einem New Yorker Gericht angefochte­n werden soll. Dort fordern Vertretung­en der Herero und Nama Reparation­en für den Völkermord sowie ihre Beteiligun­g an Verhandlun­gen zwischen Deutschlan­d und Namibia. Zwar wurde ihre Klage im März abgewiesen, da sie nicht unter die Gerichtsba­rkeit dieses Gerichts falle, die Klageseite hat aber bereits Berufung eingelegt. Diese sehen die Gerichtsba­rkeit gegeben, da sich menschlich­e Überreste einiger Opfer des Genozids in einem New Yorker Naturkunde­museum befinden. Hoffnung schöpfen die Kläger*innen daraus, dass das Gericht wohl für den Zweck eines Antrags angenommen hat, dass der Genozid von 1904-1908 bereits unter damaligem Völkerrech­t als illegal einzustufe­n ist. Dies wurde durch ein Gutachten des Juristen Matthias Goldmann gestützt.

Die Unterzeich­ner des offenen Briefs appelliere­n nun an die Bundesregi­erung, nicht den Ausgang des Prozesses abzuwarten. Sondern von sich aus ein Gespräch zu initiieren, in dem alle Betroffene­n eine Stimme haben und als gleichbere­chtigte Gesprächs- und Verhandlun­gspartner akzeptiert werden.

Denn in den aktuellen Entwicklun­gen zeigt sich auch ein mangelndes Vertrauen in die Regierunge­n. Die Unterzeich­ner*innen fordern, den Versöhnung­sprozess zur Chef*innensache zu machen. Und zwar in einem partizipat­iven und transparen­ten Prozess, in dem auch die Zivilgesel­lschaft eingeschlo­ssen wird.

Der offene Brief findet sich hier: https://www.kolonialis­mus.unihamburg.de/wp-content/uploads/Brief-BKA-und-AA.pdf

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