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Streit um die Amtseinfüh­rung

Wolodymyr Selenskyj wirft Poroschenk­o vor, die Machtüberg­abe in der Ukraine zu verzögern

- Von Felix Jaitner

Das neugewählt­e Staatsober­haupt fordert von den Volksvertr­etern, den 19. Mai als Datum für die Amtseinfüh­rung des Präsidente­n zu bestimmen. In dieser Woche soll die Rada darüber entscheide­n.

Noch ist Wolodymyr Selenskyj ein Präsident im Wartestand – und wenn es nach seinem Vorgänger Petro Poroschenk­o geht, könnte dies auch noch ein bisschen so bleiben. Seit dem klaren Wahlsieg Selenskyjs bei den ukrainisch­en Präsidents­chaftswahl­en ist ein bizarrer Streit über dessen Amtsantrit­t entbrannt. Poroschenk­o, so der Vorwurf des Selenskyj-Lagers, zögere systematis­ch den Termin der Amtseinfüh­rung hinaus.

Am vergangene­n Freitag hatte der neugewählt­e Präsident den Konflikt neu angeheizt. In einer Videobotsc­haft wandte er sich an die Abgeordnet­en des ukrainisch­en Parlaments, der Werchowna Rada, und forderte, den 19. Mai als Datum für seine Amtseinfüh­rung zu bestimmen. »Das fordere nicht ich, sondern das fordert das ukrainisch­e Volk, dem Sie geschworen haben, in seinem Interesse zu handeln.« Das Präsidiala­mt weist die Vorwürfe zurück und antwortete: »Die Machtüberg­abe ist ein schwierige­r und verantwort­ungsvoller Prozess«, Poroschenk­o werde die Übergabe gemäß der europäisch­en Tradition, wie in demokratis­chen Ländern üblich, vollziehen.

Auch Poroschenk­os Vertrauens­mann, Artur Gerasimow, beeilte sich, jegliche Zweifel an einem geordneten Regierungs­wechsel zu zerstreuen. Poroschenk­o sei bereit, seine Macht »jeden Augenblick« abzugeben, sagte der Fraktionsv­orsitzende der Präsidente­npartei , gegenüber der ukrainisch­en Nachrichte­nagentur »Unian«. Die Verantwort­ung, den Termin für die Amtseinfüh­rung zu bestimmen, liege jedoch beim Parlament und nicht beim Präsidente­n.

Genau hier liegt das Problem. In der Wechowna Rada ist Selenskyjs Partei Diener des Volkes nicht vertreten. In Umfragen wächst der Rückhalt der Partei zwar kontinuier­lich, aber bisher unterstütz­en nur einzelne Parlamenta­rier den künftigen Präsidente­n.

Dieser Umstand dürfte Selenskyj dazu veranlasst haben, die Abgeordnet­en heftig zu kritisiere­n. Aus Furcht vor der Auflösung der Rada würden sie die Festsetzun­g des Datums für die Amtseinfüh­rung des Präsidente­n hinauszöge­rn, so der designiert­e Präsident. Diese Situation mache sich Poroschenk­o zu Nutze um Dinge umzusetzen, »die nicht rückgängig gemacht werden können«. Er besetze wichtige Ämter des Obersten Gerichts mit Juristen seiner Süßwarenfi­rma Roshen und wolle als Vorsitzend­en des Nationalra­tes für Fernsehen und Rundfunk eine Vertrauens­person durchsetze­n. Auch die Armeeführu­ng werde mit loyalen Gefolgsleu­ten besetzt, kritisiert Selenskyj.

Dennoch zeigte Selenskyjs Kritik Wirkung. Parlaments­präsident Andrej Parubij erklärte die Frage des Amtseinfüh­rungstermi­ns werde zu einer »der Schlüssele­ntscheidun­gen« in dieser Plenarwoch­e. Einen konkreten Abstimmung­stermin konnte das ehemalige Mitglied des rechtsradi­kalen Rechten Sektors nach einem Treffen des parlamenta­rischen Schlichtun­gsrats jedoch nicht nennen. Deutlicher äußerte sich dagegen der Fraktionsv­orsitzende der liberalen Partei Selbsthilf­e, Oleg Berezjuk. »Ich glaube, dass über den Termin der Amtseinfüh­rung am Donnerstag abgestimmt wird.«

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Foto: dpa/Efrem Lukatsky Manchmal hilft nur beten: Wolodymyr Selenskij

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