Ein Fressen für »Finanzhaie«
Zehn Jahre nach der Einführung von Bad Banks in Deutschland sind diese noch immer hilfreich – und umstritten
Das Bundesfinanzministerium nannte sie selbst »Giftmüllabfuhr«: Bad Banks, durch die sich Banken seit 2009 ihrer Schrottpapiere entledigen können. Demnächst dürfte die nächste gegründet werden.
Mitte Mai 2009 war die Lage im Finanzsystem immer noch bitterernst: Zwar hatte die Bundesregierung nach dem Lehman-Crash mit mehreren Maßnahmen den deutschen Bankensektor notdürftig stabilisiert, »jedoch ist bis heute das nötige Vertrauen zwischen den Marktteilnehmern noch nicht vollständig zurückgekehrt«, wie es das Bundesfinanzministerium in einer Stellungnahme ausdrückte.
Grund für die weiter bestehende Angst vor einem Infarkt waren große Bestände an Schrottpapieren, die in den Bilanzen von Kreditinstituten, Finanzholdings und deren Tochterunternehmen schlummerten. Dabei handelte es sich um Wertpapiere, deren Bonität als sehr niedrig eingestuft wurde. Es war unsicher, ob die Banken ihr investiertes Geld jemals wieder zurückbekämen. Für Abhilfe sollte daher eine lange Zeit umstrittene Maßnahmen sorgen: die Schaffung von sogenannten Bad Banks (schlechten Banken). Dabei handelt es sich um Zweckgesellschaften, die nicht den für Banken üblichen harten Regeln bei der Bilanzierung und Kapitalausstattung unterliegen. In diese sollten mit staatlicher Unterstützung die Schrottpapiere abgeschoben werden. Vor genau zehn Jahren brachte das erste schwarz-rote Kabinett unter Kanzlerin Angela Merkel den Gesetzesentwurf auf den Weg. Im Juli beschloss der Bundestag das »Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung«.
Als Förderer der Idee, die aus den Vereinigten Staaten stammt, galt der sozialdemokratische Finanzminister Peer Steinbrück. Später legte er in seinem Buch »Unterm Strich« durchaus selbstkritisch Rechenschaft ab: Als Minister hatte er zunächst mit der Deregulierung des Finanzsektors seinen Beitrag zum Ausbruch der Bankenkrise geleistet. Dann begründete er seine Kehrtwende mit harschen Eingriffen in das Marktgeschehen: »Es gilt, die Kreditversorgung der Wirtschaft zu sichern.« Da die Schrottpapiere aus rechtlichen Gründen Eigenkapital binden, vergeben Banken weniger Kredite an Firmen und Kunden, was der Wirtschaft insgesamt schadet.
Die Grundidee: Banken gründen Bad Banks und übertragen ihre Schrottpapiere an sie. Das kommt praktisch einem Neustart gleich. So waren der bereits zuvor verstaatlichte Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) und später die öffentliche HSH Nordbank auf einen Schlag aller Sorgen ledig. Die Westdeutsche Landesbank (WestLB), die einmal fast so groß wie die Deutsche Bank gewesen war, wurde über eine Bad Bank namens »Erste Abwicklungsanstalt« sogar aufgelöst – Wertpapiere über 77 Milliarden Euro wurden dorthin abgeschoben.
Ganz umsonst gab es die Deals für die drei maroden Finanzinstitute allerdings nicht. Die Banken mussten für die, so das Bundesfinanzministerium damals wörtlich, »Giftmüllabfuhr« Gebühren an den Staat zahlen. Auf diesem Wege trennten sich die Banken aber nicht nur von hochriskanten oder nahezu wertlosen Papieren, sondern nach dem sogenannten Konsolidierungsmodell auch noch von weiteren Geschäftsanteilen, die seit der Finanzkrise nicht mehr ins strategische Konzept der Vorstände passten.
Steinbrück und die Bundesregierung rechtfertigten den Bad-BankDeal damit, dass die Risiken für den Staat und damit für den Steuerzahler gering gehalten würden. Kritiker bemängelten die hohen Kosten für die Bankenrettung, die letztlich der Allgemeinheit aufgebürdet würden.
Richtig teuer wurde allerdings vor allem das Flaggschiff der Bankenrettung: Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) gab neun Banken durch Garantien und Kapitalspritzen mit rund 190 Milliarden Euro Rückendeckung. Wenn die letzten Schrottpapiere in einigen Jahren verkauft sein werden, dürfte sich der Verlust für den Steuerzahler irgendwo zwischen 20 und 50 Milliarden Euro einpendeln, schätzen Finanzexperten.
Rudolf Hickel betont die Zweischneidigkeit von Bad Banks. »Sie entlasten Banken und Staat bei der Abwicklung von Schrottpapieren«, sagte der Bremer Wirtschaftsprofessor dem »nd«. Das gelte auch für die Norddeutsche Landesbank, die für die Abwicklung ihrer schrottigen Schiffspapiere möglicherweise demnächst eine Bad Bank gründen wird. Andererseits versuchten »Finanzhaie«, die im Geld schwimmen, die Bad Banks »auszuschlachten«. Diese seien letztlich gezwungen, ihre Wertpapiere unterhalb des Marktpreises zu verkaufen.
Die Grundidee: Banken gründen Bad Banks und übertragen ihre Schrottpapiere an sie. Das kommt praktisch einem Neustart gleich.