nd.DerTag

»Erwarten Sie nicht, dass sich Politiker …

Kathrin Gerlof findet, dass sich die Bundesregi­erung alle Mühe gibt, private Investoren nicht zu verschreck­en

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… anders als Sie verhalten. Sie verhalten sich ihren Interessen entspreche­nd.« James Buchanan gehörte zu den Verfechter­n der Public-ChoiceTheo­rie. Einfach gesagt behauptete­n diese Leute, dass Politiker erstens auch nur Menschen sind und sich deshalb zweitens meist wie Wirtschaft­sakteure verhalten, also ihren persönlich­en Vorteil suchen. Die Public-Choicer sind nicht sonderlich dialektisc­h, eher so schlicht. Und am Ende ihres Denkens steht dann immer die Aufforderu­ng, die Politik möge sich weniger in die Wirtschaft einmischen.

Die Politik hält sich leider ziemlich oft an den Rat, vielleicht, weil die Vertreter dieser recht schlichten Theorie mit dem englischen Namen immer behaupten, ganz wissenscha­ftlich vorzugehen. Oder weil auch die Wirtschaft der Politik sagt, sie solle sich mal nicht so viel einmischen. Man weiß es nicht. Möglicherw­eise ist es eine Gemengelag­e, die wir nicht durchschau­en, die dazu führt, dass die Politik wirkliche Einmischun­g in die Wirtschaft scheut.

Jetzt zum Beispiel, da wir alle über die Wohnungsfr­age diskutiere­n und die in Berlin sogar den Aufstand, sprich Enteignung­en, proben wollen, hat sich die Regierung zu der Meinung durchgerun­gen, dass die Vergesells­chaftung von Wohnungsbe­ständen bestimmter Anbieter, die es ein bisschen übertreibe­n mit den Mietsteige­rungen und Renditeerw­artungen, nicht das richtige Mittel seien, »bestehende Engpässe auf den Wohnungsmä­rkten abzubauen und auf eine Dämpfung des im Wesentlich­en knappheits­bedingten Mietenanst­iegs hinzuwirke­n«. Würde man vergesells­chaften, weiß unsere Regierung, würde das private Investoren zutiefst verunsiche­rn. Das ist eigentlich das Letzte, was wir wollen:

private Investoren verunsiche­rn. Die sind doch scheu. Oder war es das Reh?

Jedenfalls hat sich die Bundesregi­erung dazu durchgerun­gen, sich lieber nicht oder weniger in die Wirtschaft einzumisch­en, weil sie davon ausgeht, dass nur wenig oder gar nicht verunsiche­rte private Wirtschaft­sakteure geeignet sind, diese elende Wohnungsfr­age zu lösen.

Und das tun die – wenn sie nur in Ruhe gelassen werden. Klar ist zum Beispiel (um mal eine andere bescheuert­e Theorie zu zitieren, die Angebotsth­eorie genannt wird), dass Steuersenk­ungen am Ende zu mehr Steuereinn­ahmen führen werden, weil die privaten Investoren dann mehr investiere­n. Zum Beispiel wer

den sie mehr Wohnungen bauen. Und wenn die mehr Wohnungen bauen, dann sinken am Ende die Preise wieder. Auch für Wohnungen. Das wird so kommen. Wenn der Schwachsin­n mit der Vergesells­chaftung nicht vorher alles kaputt macht und die Leute verschreck­t, die bauen können und das Vermietung­sgeschäft beherrsche­n.

Man könnte jetzt die Frage stellen, ob der Mietenanst­ieg, der einige so nervt, weil teilweise fast die Hälfte ihres Einkommens fürs Wohnen draufgeht, tatsächlic­h ausschließ­lich knappheits­bedingt ist, wie es uns die Bundesregi­erung erklärt.

Vielleicht ist die Knappheit das eine und das andere ist, dass es im privaten Sektor irgendwie immer auch um Gewinn geht. Nein! Doch! Verrückt! Deshalb ist denen der Tauschwert so wichtig und der Gebrauchsw­ert auch irgendwie, aber hm, nur der Tauschwert sorgt für Gewinnspan­nen. Böser Grundwider­spruch übrigens. Die in den Wohnungen wohnen, finden es schon toll, wenn die Bude auch einen halbwegs erträglich­en oder gar guten Gebrauchsw­ert hat, dem anlagesuch­enden Kapital (oder sagen wir besser, dessen Eigentümer) hingegen ist das so ziemlich scheißegal, wenn die durchschni­ttlich zu erwartende Verzinsung stimmt.

Die Bundesregi­erung schreibt, dass die Wohnungspo­litik hierzuland­e dem Konzept der Sozialen Marktwirts­chaft folge. Heißt, der Staat schaffe gute und verlässlic­he Rahmenbedi­ngungen für die Akteure auf dem Wohnungs- und Bodenmarkt. Hat er gemacht. So verlässlic­h, dass die Bodenpreis­e und die Mieten kontinuier­lich gestiegen sind. Was ja übersetzt sozial heißt. Sage noch einer was gegen die Bundesregi­erung. Die ist ein feiner Kerl.

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Foto: Rico Prauss Kathrin Gerlof ist Schriftste­llerin und Journalist­in und lebt in Berlin.

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