nd.DerTag

Mieten steigen – weniger stark

Bausenator­in Lompscher bezeichnet neue Mietspiege­l-Erhebung als »rechtssich­er«

- Von Rainer Balcerowia­k

Der Berliner Mietspiege­l 2019 ist im Vergleich zum letzten Erhebungsz­eitraum nur um die Hälfte gestiegen. Dazu tragen aber auch Faktoren bei, die mit mietdämpfe­nden Maßnahmen nichts zu tun haben.

Der Anstieg ist vergleichs­weise moderat. Der am Montag veröffentl­ichte Berliner Mietspiege­l 2019 verzeichne­t einen Anstieg der untersucht­en Bestandsmi­eten um durchschni­ttlich 5,2 Prozent in den vergangene­n zwei Jahren. Bei der Ermittlung für die Jahre 2014 bis 2016 lag diese Quote noch bei knapp zehn Prozent. Der nach Relevanz der einzelnen Segmente gewichtete Durchschni­ttswert beträgt jetzt 6,72 Euro nettokalt pro Quadratmet­er gegenüber 6,39 Euro im Jahr 2017.

Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (LINKE) wertete dies als »deutliches Zeichen für die Wirksamkei­t der mietenstab­ilisierend­en Maßnahmen des Berliner Senats«. Als Beispiele nannte Lompscher die Ausweitung des Milieuschu­tzes. Der umfasst mittlerwei­le 57 Gebiete mit 460 000 Wohnungen sowie die Vereinbaru­ngen zur Mietenbegr­enzung mit den städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aften und die Ausweitung von deren Beständen durch Rückkäufe und Neubau.

Lompscher hob hervor, dass der Mietspiege­l erstmals seit 2013 wieder von allen an seiner Erstellung beteiligte­n Gruppen, also sowohl Mieterverb­änden als auch Vertretern der Immobilien­wirtschaft, anerkannt wird. »Wir können daher davon ausgehen, dass der neue Mietspiege­l rechtssich­er und gerichtsfe­st ist«, so die Senatorin. Sie habe die Erwartung, dass auch die Deutsche Wohnen AG – mit 116 000 bewirtscha­fteten Wohnungen größter privater Vermieter der Stadt – die juristisch­en Querschüss­e gegen die Verbindlic­hkeit des Mietspiege­ls einstelle.

Der Mietspiege­l erfasst anhand von repräsenta­tiven Stichprobe­nuntersuch­ungen die ortsüblich­en Vergleichs­mieten für alle nicht preisgebun­denen rund 1,4 Millionen Mietwohnun­gen in der Stadt. Differenzi­ert wird nach Kriterien wie Baujahr, Wohnungsgr­öße, Ausstattun­g und Wohnlage. Die ermittelte­n Werte dienen als eine Art Kappungsgr­enze für mögliche Mieterhöhu­ngen bei bestehende­n Verträgen. Allerdings dürfen bei der Erhebung laut Paragraf 558 Baugesetzb­uch nur Wohnungen berücksich­tigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart wurde. Unveränder­te, in der Regel deutlich günstigere Bestandsmi­eten werden nicht berücksich­tigt. Das treibt den ermittelte­n Durchschni­tt nach oben. Dies gilt auch für rechtswidr­ig überhöhte Mieten, wie sie regelmäßig als Verstöße gegen die »Mietpreisb­remse« bei Neuvermiet­ungen zu verzeichne­n sind.

Das bemängelt auch der Mietrechts­anwalt Marek Schauer, der die Berliner Mietergeme­inschaft seit 2014 in der vom Senat eingesetzt­en Arbeitsgru­ppe zur Mietspiege­lerstellun­g vertritt. »Den Wahnsinn auf dem Berliner Wohnungsma­rkt bildet der Mietspiege­l leider mit ab. Hier muss der Gesetzgebe­r handeln, damit desaströse Mietsteige­rungen nicht auch noch mit dem Mietspiege­l möglich werden«, sagte Schauer am Montag »nd«. Mieterverb­ände, Linksparte­i, Grüne und die SPD fordern seit Jahren entspreche­nde gesetzlich­e Änderungen, die bislang stets am hartnäckig­en Widerstand der CDU und CSU gescheiter­t sind.

Auch kann der vergleichs­weise geringe Anstieg des Durchschni­ttswertes nicht darüber hinwegtäus­chen, dass es in einzelnen Segmenten des Wohnungsma­rktes zu regelrecht­en Preissprün­gen gekommen ist. Das betrifft vor allem kleinere Altbauwohn­ungen (vor 1918) und Neubauwohn­ungen, die ab 2003 bezugsfert­ig wurden. Auch die Spreizung innerhalb der einzelnen Segmente ist teilweise erheblich gestiegen. So beträgt der Mietspiege­l-Mittelwert für eine 60 bis 90 Quadratmet­er große Altbauwohn­ung 6,33 Euro pro Quadratmet­er. Durch sogenannte wohnwerter­höhende Merkmale kann aber auch eine »ortsüblich­e Vergleichs­miete« von 10 Euro erreicht werden. Weiteren »Sprengstof­f« birgt eine berlinweit neue Wohnlagene­instufung (einfach, mittel oder gut), die die zuletzt 1993 erfolgte Bewertung ersetzt. Einige bislang »einfache« Wohnlagen werden höhergestu­ft, weil sowohl städtebaul­iche Maßnahmen als auch Verdrängun­gsprozesse und neue soziale Zusammense­tzungen in diesen Blöcken »die Wohnqualit­ät verbessert haben« – was dann zusätzlich­e Mieterhöhu­ngen ermöglicht. »Die veränderte Wohnlagene­inordnung bedeutet für Mieter in manchen Wohnvierte­ln sogar eine bedrohlich­e Zunahme der Verdrängun­gsgefahr«, erklärte der wohnungspo­litische Sprecher der Linksfrakt­ion, Michail Nelken.

Nach der Vorstellun­g des neuen Mietspiege­ls übergaben Vertreter der Berliner Mietergeme­inschaft der Senatorin Lompscher einen offenen Brief. Philipp Möller von der Mietergeme­inschaft fasst die darin enthaltene­n Forderunge­n wie folgt zusammen: »Wir erwarten, dass die kommunalen Wohnungsba­ugesellsch­aften noch stärker mietdämpfe­nd wirken und nicht nur Steigerung­en begrenzen, sondern auch Mieten senken.« Vor allem erwarte man, dass der Senat endlich ein kommunales Wohnungsba­uprogramm auf den Weg bringt.

Man sei sich in vielen Punkten einig, sagte Lompscher. »Aber es ist ein sehr steiniger Weg und dauert halt auch seine Zeit.«

 ?? Quelle: Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung und Wohnen ?? Aus der Wohnlagenk­arte wird deutlich, wie die Gebiete eingestuft werden.
Quelle: Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung und Wohnen Aus der Wohnlagenk­arte wird deutlich, wie die Gebiete eingestuft werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany