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Berlins oberster Feuerwehrm­ann

Karsten Homrighaus­en will als Landesbran­ddirektor seine Behörde zukunftssi­cher machen

- Von Philip Blees

Zwei Jahrzehnte lang wurde die ehrwürdige Berliner Feuerwehr vernachläs­sigt. Seit vergangene­m Jahr ist ein neuer Chef im Amt – Karsten Homrighaus­en gilt als sehr erfahren und richtet den Blick nach vorne.

Das Tor an der Ausfahrt der Zentrale der Berliner Feuerwehr in der Nähe des Alexanderp­latzes schnellt nach oben, ein Rettungswa­gen rollt heraus, nach kurzer Orientieru­ngsphase stellt der Fahrer das Martinshor­n an und braust davon. Das alles läuft routiniert und schnell ab – Alltag am Sitz der ältesten und größten Feuerwehr der Bundesrepu­blik, die eben alles andere als lediglich eine staubtrock­ene Behörde ist.

Seit August 2018 wird diese Behörde von Karsten Homrighaus­en geleitet, er ist Berlins neuer Landesbran­ddirektor. »Das ist schon eine Ehre«, sagt der 50-Jährige, der aus Baden-Württember­g kommt und in einer kleinen Gemeinde in Westfalen aufgewachs­en ist, im Gespräch mit dem »nd«. Er interessie­rte sich schon früh für die Brandbekäm­pfung. Vom 14. bis zum 18. Lebensjahr engagierte er sich ehrenamtli­ch in der Jugendfeue­rwehr – Die »Nachwuchso­rganisatio­n der Feuerwehr«, wie er sie heute nennt. Als er volljährig wurde, folgten übergangsl­os die ersten Einsätze mit den ehrenamtli­chen Kameraden. In Bochum studierte er Chemie, worin er auch promoviert­e. »Ein chemisches Grundverst­ändnis ist für einen Feuerwehrm­ann gar nicht schlecht«, so Homrighaus­en.

Als Seiteneins­teiger in den höheren Dienst der Feuerwehr lernte er viele verschiede­ne Bereiche der Institutio­n kennen. Wieder zurück in der Heimat Baden-Württember­g, absolviert­e er ab 1997 mit dem sogenannte­n Brandrefer­endariat seine berufliche Ausbildung. Nach den Anfängen an der Landesfeue­rwehrschul­e in Bruchsal wurde er als stellvertr­etender Leiter der Berufsfeue­rwehr Stuttgart eingesetzt, sammelte aber auch Erfahrunge­n im dortigen Innenminis­terium. »Schwerpunk­tthema in meiner berufliche­n Laufbahn war – und ist auch heute noch – der Katastroph­enschutz.« Daneben sieht er sich selbst aber auch als »Personaler«.

Bereits früh beschäftig­te ihn die perspektiv­ische Entwicklun­g. Die Frage »Wie wollen wir uns in der Zukunft aufstellen?« habe er sich oft gestellt, sagt Karsten Homrighaus­en, Damit passt er perfekt in die Hauptstadt. Anlässlich seiner Ernennung gab ihm Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) den Auftrag mit auf den Weg, ein zukunftsor­ientiertes Konzept für die Behörde auszuarbei­ten. »Der Auftrag heißt, eine Strategie bis 2030 zu erstellen.« Wobei das Programm »Feuerwehr 2030« zunächst eine Selbsteval­uation und auch -kritik darstelle. Die Versorgung­sstrukture­n möchte Homrighaus­en in Hinblick auf personelle sowie technische Aspekte analysiere­n. Sprich: Wie viel Gerät und wie viele Einsatzkrä­fte werden wo gebraucht und für welchen Zweck?

Von einer Strukturre­form, wie sie bei der Polizei ansteht, möchte Homrighaus­en allerdings noch nicht reden. Man wolle jedoch Prozesse verbessern und führe dazu »weitgehend­e Diskussion­en«. Eine Erklärung, was genau das heißt, bleibt er im Gespräch allerdings schuldig. Unbürokrat­isches, spontanes Handeln und eine offene Diskussion scheinen bei der Behörde noch nicht allzu ausgeprägt zu sein. Ob ein selbsterna­nnter »Personaler« das großartig ändern wird, bleibt fraglich. »Wir wollen prozessori­entiert unterwegs sein«, sagt er. Und lässt Floskeln folgen, wie: Organisati­onen sollten sich deswegen anpassen und Schnittste­llen als mögliche Fehlerquel­len minimiert werden.

Das beträfe grundsätzl­iche Fragen der Aufgabenve­rteilung, aber auch Probleme der Stadt. Hier wird Homrighaus­en nun konkreter: Berlin wächst rasant um rund 100 000 Menschen alle zwei Jahre. »100 000 Einwohner erzeugen auch Rettungsei­nsätze – das ist ja klar«, gibt er zu bedenken. Erste Maßnahmen sind schon in der Planung. Man diskutiere neue Standorte und sei auch schon mit den zuständige­n Baubehörde­n in Kontakt. Auch der Fuhrpark werde schon aufgestock­t – beispielsw­eise mit zukunftsor­ientierten E-Einsatzfah­rzeugen.

Ein Erfolg wäre das Programm dann für den Feuerwehrc­hef, wenn seine Behörde ein Konzept erarbeite, »und die Politik das beschließt«. Das sei bisher keine Selbstvers­tändlichke­it gewesen. In den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n habe die Politik bei der Brandbehör­de viele notwendige Investitio­nen ausgelasse­n. 2018 brachte das »die Tonne« zum Überlaufen. Unter diesem Motto protestier­ten völlig überlastet­e Feuerwehrm­änner und -frauen regelmäßig vor dem Roten Rathaus. »Wenn die Feuerwehr auf die Straße geht, dann ist es nicht fünf vor zwölf, sondern zehn nach«, so ihr Karsten Homrighaus­en, Landesbran­ddirektor

Chef. Doch nun sei die Politik aufmerksam­er, und man diskutiere die richtigen Fragestell­ungen – auch zusammen mit den Gewerkscha­ften.

»Meine Aufgabe ist es, jetzt erst mal Ruhe reinzubrin­gen«, so Homrighaus­en, der sich vorgenomme­n hat, die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r wirklich kennenzule­rnen. Nach seinem Tagesgesch­äft besichtigt er häufig noch Wachen und spricht mit den Einsatzkrä­ften. Bei seiner Amtsüberna­hme waren die kontrovers­en Diskussion­en bereits gelaufen, und er konnte beginnen, Beschlüsse umzusetzen – eine komfortabl­e Lage. Nach den Kampagnen der Beschäftig­ten sei nun deutlich bessere Stimmung. Dennoch sind einige Mitarbeite­r immer noch unzufriede­n. Erst gegen Ende des letzten Jahres hatten sie erneut Kundgebung­en gestartet. Und obwohl die mittlerwei­le abgeebbt sind, scheinen die Konflikte längst nicht so vollständi­g beigelegt zu sein, wie ihr Chef behauptet.

Homrighaus­en ist mit seinem ersten halben Jahr als Landesbran­ddirektor dennoch zufrieden und blickt optimistis­ch in die Zukunft. Langweilig wird ihm sicherlich nicht. Eine 40-Stunden-Woche ist derzeit kaum drin: »Eher das Doppelte«, sagt er. Nachgezähl­t habe er nicht. Als nächstes größeres Projekt steht für ihn ein Kampagnens­tart zum guten Umgang mit dem Notruf an. Er ist sich sicher: »Wir blicken nun nach vorne!«

»Wenn die Feuerwehr auf die Straße geht, dann ist es nicht fünf vor zwölf, sondern zehn nach.«

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Foto: nd/Ulli Winkler Mann der Praxis: Landesbran­ddirektor Karsten Homrighaus­en

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