Berlins oberster Feuerwehrmann
Karsten Homrighausen will als Landesbranddirektor seine Behörde zukunftssicher machen
Zwei Jahrzehnte lang wurde die ehrwürdige Berliner Feuerwehr vernachlässigt. Seit vergangenem Jahr ist ein neuer Chef im Amt – Karsten Homrighausen gilt als sehr erfahren und richtet den Blick nach vorne.
Das Tor an der Ausfahrt der Zentrale der Berliner Feuerwehr in der Nähe des Alexanderplatzes schnellt nach oben, ein Rettungswagen rollt heraus, nach kurzer Orientierungsphase stellt der Fahrer das Martinshorn an und braust davon. Das alles läuft routiniert und schnell ab – Alltag am Sitz der ältesten und größten Feuerwehr der Bundesrepublik, die eben alles andere als lediglich eine staubtrockene Behörde ist.
Seit August 2018 wird diese Behörde von Karsten Homrighausen geleitet, er ist Berlins neuer Landesbranddirektor. »Das ist schon eine Ehre«, sagt der 50-Jährige, der aus Baden-Württemberg kommt und in einer kleinen Gemeinde in Westfalen aufgewachsen ist, im Gespräch mit dem »nd«. Er interessierte sich schon früh für die Brandbekämpfung. Vom 14. bis zum 18. Lebensjahr engagierte er sich ehrenamtlich in der Jugendfeuerwehr – Die »Nachwuchsorganisation der Feuerwehr«, wie er sie heute nennt. Als er volljährig wurde, folgten übergangslos die ersten Einsätze mit den ehrenamtlichen Kameraden. In Bochum studierte er Chemie, worin er auch promovierte. »Ein chemisches Grundverständnis ist für einen Feuerwehrmann gar nicht schlecht«, so Homrighausen.
Als Seiteneinsteiger in den höheren Dienst der Feuerwehr lernte er viele verschiedene Bereiche der Institution kennen. Wieder zurück in der Heimat Baden-Württemberg, absolvierte er ab 1997 mit dem sogenannten Brandreferendariat seine berufliche Ausbildung. Nach den Anfängen an der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal wurde er als stellvertretender Leiter der Berufsfeuerwehr Stuttgart eingesetzt, sammelte aber auch Erfahrungen im dortigen Innenministerium. »Schwerpunktthema in meiner beruflichen Laufbahn war – und ist auch heute noch – der Katastrophenschutz.« Daneben sieht er sich selbst aber auch als »Personaler«.
Bereits früh beschäftigte ihn die perspektivische Entwicklung. Die Frage »Wie wollen wir uns in der Zukunft aufstellen?« habe er sich oft gestellt, sagt Karsten Homrighausen, Damit passt er perfekt in die Hauptstadt. Anlässlich seiner Ernennung gab ihm Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) den Auftrag mit auf den Weg, ein zukunftsorientiertes Konzept für die Behörde auszuarbeiten. »Der Auftrag heißt, eine Strategie bis 2030 zu erstellen.« Wobei das Programm »Feuerwehr 2030« zunächst eine Selbstevaluation und auch -kritik darstelle. Die Versorgungsstrukturen möchte Homrighausen in Hinblick auf personelle sowie technische Aspekte analysieren. Sprich: Wie viel Gerät und wie viele Einsatzkräfte werden wo gebraucht und für welchen Zweck?
Von einer Strukturreform, wie sie bei der Polizei ansteht, möchte Homrighausen allerdings noch nicht reden. Man wolle jedoch Prozesse verbessern und führe dazu »weitgehende Diskussionen«. Eine Erklärung, was genau das heißt, bleibt er im Gespräch allerdings schuldig. Unbürokratisches, spontanes Handeln und eine offene Diskussion scheinen bei der Behörde noch nicht allzu ausgeprägt zu sein. Ob ein selbsternannter »Personaler« das großartig ändern wird, bleibt fraglich. »Wir wollen prozessorientiert unterwegs sein«, sagt er. Und lässt Floskeln folgen, wie: Organisationen sollten sich deswegen anpassen und Schnittstellen als mögliche Fehlerquellen minimiert werden.
Das beträfe grundsätzliche Fragen der Aufgabenverteilung, aber auch Probleme der Stadt. Hier wird Homrighausen nun konkreter: Berlin wächst rasant um rund 100 000 Menschen alle zwei Jahre. »100 000 Einwohner erzeugen auch Rettungseinsätze – das ist ja klar«, gibt er zu bedenken. Erste Maßnahmen sind schon in der Planung. Man diskutiere neue Standorte und sei auch schon mit den zuständigen Baubehörden in Kontakt. Auch der Fuhrpark werde schon aufgestockt – beispielsweise mit zukunftsorientierten E-Einsatzfahrzeugen.
Ein Erfolg wäre das Programm dann für den Feuerwehrchef, wenn seine Behörde ein Konzept erarbeite, »und die Politik das beschließt«. Das sei bisher keine Selbstverständlichkeit gewesen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe die Politik bei der Brandbehörde viele notwendige Investitionen ausgelassen. 2018 brachte das »die Tonne« zum Überlaufen. Unter diesem Motto protestierten völlig überlastete Feuerwehrmänner und -frauen regelmäßig vor dem Roten Rathaus. »Wenn die Feuerwehr auf die Straße geht, dann ist es nicht fünf vor zwölf, sondern zehn nach«, so ihr Karsten Homrighausen, Landesbranddirektor
Chef. Doch nun sei die Politik aufmerksamer, und man diskutiere die richtigen Fragestellungen – auch zusammen mit den Gewerkschaften.
»Meine Aufgabe ist es, jetzt erst mal Ruhe reinzubringen«, so Homrighausen, der sich vorgenommen hat, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich kennenzulernen. Nach seinem Tagesgeschäft besichtigt er häufig noch Wachen und spricht mit den Einsatzkräften. Bei seiner Amtsübernahme waren die kontroversen Diskussionen bereits gelaufen, und er konnte beginnen, Beschlüsse umzusetzen – eine komfortable Lage. Nach den Kampagnen der Beschäftigten sei nun deutlich bessere Stimmung. Dennoch sind einige Mitarbeiter immer noch unzufrieden. Erst gegen Ende des letzten Jahres hatten sie erneut Kundgebungen gestartet. Und obwohl die mittlerweile abgeebbt sind, scheinen die Konflikte längst nicht so vollständig beigelegt zu sein, wie ihr Chef behauptet.
Homrighausen ist mit seinem ersten halben Jahr als Landesbranddirektor dennoch zufrieden und blickt optimistisch in die Zukunft. Langweilig wird ihm sicherlich nicht. Eine 40-Stunden-Woche ist derzeit kaum drin: »Eher das Doppelte«, sagt er. Nachgezählt habe er nicht. Als nächstes größeres Projekt steht für ihn ein Kampagnenstart zum guten Umgang mit dem Notruf an. Er ist sich sicher: »Wir blicken nun nach vorne!«
»Wenn die Feuerwehr auf die Straße geht, dann ist es nicht fünf vor zwölf, sondern zehn nach.«