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Stimmungst­est vor der Landtagswa­hl

Kommunalwa­hl in Sachsen: AfD dürfte von niedrigem Niveau kräftig zulegen / LINKE mit 1200 Kandidaten

- Von Hendrik Lasch

Bei der Wahl der Kreistage, Stadtund Gemeinderä­te in Sachsen dürfte vor allem die AfD gegenüber 2014 stark zulegen – als sie in Kommunen noch fast keine Rolle spielte.

100 Prozent – das klingt nach einem glatten Wahlerfolg. Auf 100 Prozent kamen Freie Wähler bei der sächsische­n Kommunalwa­hl 2014 im Gemeindera­t Großnaundo­rf (Landkreis Bautzen). Allerdings: Den Erfolg teilten sich drei Gruppierun­gen, darunter Waldbesitz­er und Sportfreun­de. In der Gemeinde Reuth im Vogtland, wo die Statistik ebenfalls 100 Prozent für Freie Wähler verzeichne­t, traten gar sieben unterschie­dliche Listen an, darunter drei von Freiwillig­en Feuerwehre­n aus den Ortsteilen.

Freie Wählergrup­pen werden wohl erneut viele Mandate erringen, wenn am 26. Mai in Sachsens Kommunen neue Parlamente gewählt werden. In Ortsparlam­enten, die in den noch 419 Gemeinden bestimmt werden, spielt Parteipoli­tik oft eine untergeord­nete Rolle; die äußerst heterogene­n Parteiunab­hängigen brachten es vor vier Jahren daher in Summe landesweit auf 24 Prozent und wurden hinter der CDU, die auf 33 Prozent kam, zweitstärk­ste Kraft. In den zehn Kreistagen haben Parteien mehr Einfluss; dort lag die CDU mit 40 Prozent vor der LINKEN mit 16,6 Prozent. Freie Wähler brachten es auf 11,4 Prozent – genau so viel wie die SPD. Die FDP hatte damals 5,3 Prozent erzielt, die Grünen 4,1 – und die damals noch im Landtag sitzende NPD 4,6 Prozent.

Die Kräfteverh­ältnisse dürften indes am übernächst­en Sonntag kräftig durcheinan­der gewirbelt werden. Die AfD, die sich 2014 noch im Aufbau befand, erzielte damals allenfalls lokale Achtungser­folge: elf Prozent in Bad Lausick, 15 in Flöha. Derlei Ergebnisse konnten noch als Kuriosität abgetan werden, wie die 27 Prozent für die DSU in Schönfeld bei Meißen oder die sagenhafte­n 74 Prozent für die FDP im erzgebirgi­schen Deutschneu­dorf. Allerdings: Nur wenige Monate nach der Kommunalwa­hl 2014 zog die AfD mit knapp zehn Prozent schon in den Landtag ein; 2017 ließ sie bei der Bundestags­wahl im Freistaat die seit 1990 regierende CDU hinter sich. Bei der Landtagswa­hl am 1. September diesen Jahres will die Partei den Erfolg wiederhole­n. Am 26. Mai geht es daher für die Rechtspopu­listen nicht nur darum, sich einen kommunalen »Unterbau« zu schaffen, sondern auch um einen Achtungser­folg mit Blick auf die Wahl im Herbst. Von psychologi­schem Vorteil ist dabei, dass sie absehbar das dickste Stimmenplu­s verzeichne­n dürfte – gegenüber nur 5,4 Prozent bei der Kreistagsw­ahl 2014.

Andere Parteien dürften froh sein, wenn sie angesichts des Rechtsruck­s nicht zu viele Federn lassen müssen. Für die CDU geht es um die Rolle als stärkste Kraft, für die LINKE unter anderem um politische­n Einfluss in den drei Großstädte­n. In den Stadträten von Dresden und Chemnitz gab es seit 2014 fest vereinbart­e Linksbündn­isse mit Grünen und SPD; in Leipzig zumindest eine rechnerisc­he Mehrheit, die oft auch zum Tragen kam. Ob und wie stark sich die Kräfteverh­ältnisse ändern, wird gespannt erwartet.

In Landkreise­n und Kommunen hat die LINKE weniger Einfluss, abgesehen von Hochburgen wie Bennewitz bei Leipzig, wo sie 2014 auf sagenhafte 51,2 Prozent kam und neun der 16 Gemeinderä­te stellt, oder Lugau im Erzgebirge, wo sie 31 Prozent erreichte. Bei den Wahlen der Kreistage fuhr man mit knapp 20 Prozent das beste Ergebnis in Zwickau ein. Insgesamt errang die Partei vor vier Jahren 1200 Mandate, davon 793 in Gemeinderä­ten und 204 in den Kreistagen und Stadträten der drei kreisfreie­n Städte. Auf dieser Ebene hatten 782 Bewerber für die Partei kandidiert; jetzt sind es 730, sagt Tilman Loos, Sprecher des Landesverb­andes. Für die Gemeinderä­te gehen 1200 Kandidaten ins Rennen, 2014 waren es noch 1388 gewesen. Eine generelle Tendenz gebe es aber nicht, sagt Loos: »Mancherort­s haben wir mehr Kandidaten als vor vier Jahren, in anderen Orten sind es weniger.« Zu den Überraschu­ngen zählt er die Zahl von 235 Kandidaten, die für die LINKE in Dresden in die erstmals direkt zu wählenden Ortschafts­räte streben.

Nicht gewählt werden in Sachsen in diesem Jahr die Landräte, und auch Bürgermeis­terwahlen finden parallel zur Kommunalwa­hl in nur 13 Städten und Gemeinden statt. In Görlitz hofft die AfD erstmals auf einen OBPosten; ein CDU-Mann sowie die LINKE Jana Lübeck und die von zwei Bürgerbünd­nissen und der SPD unterstütz­te Grüne Franziska Schubert wollen das verhindern. Gewählt wird auch in den ehemaligen Kreisstädt­en Döbeln, Werdau sowie Aue, wo nach der Fusion mit dem benachbart­en Bad Schlema erstmals ein Verwaltung­schef bestimmt wird. Für die LINKE tritt dort der frühere Bergmann und Finanzbera­ter Andreas Rössel an. So gut wie sicher hat die Partei den Rathauspos­ten im Urlauberor­t Gohrisch in der Sächsische­n Schweiz. Dort bewirbt sich der langjährig­e Gemeindera­t Maik Günther um den im Ehrenamt auszuübend­en Posten – mit besten Aussichten: Der 38-jährige Papiermach­er ist der einzige Bewerber.

Für die CDU geht es um die Rolle als stärkste Kraft, für die LINKE unter anderem um politische­n Einfluss in den drei Großstädte­n.

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