Konstruktive Meinungsverschiedenheiten
Beim Besuch des US-Außenministers Mike Pompeo in Russland bleiben ungeklärte Streitfragen
Seit der Veröffentlichung des Mueller-Berichts bemühen sich Russland und die USA, ihre Beziehungen zu verbessern. Die Streitfragen: Iran, Venezuela und atomare Abrüstung.
Mit einer klar definierten Aufgabenstellung reiste US-Außenminister Mike Pomepo am Dienstag in die russische Schwarzmeerstadt Sotschi. Beim Treffen mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow und anschließend mit Präsident Wladimir Putin gehe es darum, in der Zusammenarbeit beider Länder in Syrien und Afghanistan »einen Weg nach vorn zu finden« und bei der Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel voranzukommen, so Pompeo.
Nachdem der im April veröffentlichte Mueller-Bericht keine eindeutigen Beweise für eine Einmischung der russischen Regierung in die US-Präsidentschaftswahlen 2016 vorlegen konnte, senden beide Seiten wieder Entspannungssignale. »Bei einigen Themen mögen wir gleicher, bei anderen gegenteiliger Meinung sein, aber aber wenn es im Interesse unserer Nationen ist, ist es unsere Verantwortung, einen Weg voran zu finden«, schrieb Pompeo am Dienstag im Onlinenachrichtendienst Twitter. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte bei der Begrüßung seines US-Kollegen: »Dieses Misstrauen, das wir haben, behindert sowohl Ihre als auch unsere Sicherheit. Wir müssen auf allen Ebenen unseres Dialogs wieder Vertrauen aufbauen.«
Bereits vergangene Woche trafen sich die Außenminister im Rahmen des Arktischen Rates in Helsinki zum Gespräch, das als konstruktiv bewertet wurde. Trumps Ankündigung, er werde im Juni während des G20-Treffens in Japan Putin zu einem persönlichen Gespräch treffen, konnte der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitrij Peskow, am Dienstag allerdings nicht bestätigen.
Die gegensätzlichen Interessen in Iran, der Ukraine und in Venezuela erschweren jedoch eine weitreichendere Verbesserung der bilateralen Beziehungen. Im Vorfeld des Treffens hatte Lawrow gesagt, er sei gespannt darauf, von Pompeo zu erfahren, wie die USA die Iran-Krise lösen wollten, die sie durch ihre »unilateralen Entscheidungen« geschaffen haben.
Große Dringlichkeit sieht Russland in Gesprächen über atomare Abrüstung, konkret der Zukunft des New-Start-Vertrags über die Kontrolle nuklearer Angriffswaffen. Der 2010 erneuerte Vertrag sieht vor, die Nukleararsenale auf je 800 Trägersysteme und 1550 einsatzbereite Atomsprengköpfe zu verringern. Militärexperten bezweifeln inzwischen eine Verlängerung des 2021 auslaufenden Vertrags, da neue Verhandlungen bislang ausbleiben. Damit droht nach dem INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme das zweite wichtige Vertragswerk zur Kontrolle und Reduzierung von Kernwaffen zu scheitern. Russland und die USA waren Anfang Februar aus dem Abkommen ausgestiegen. Einigen sich beide Seiten nicht noch auf einen Erhalt des Vertrags, würde er nach einer Sechs-Monatsfrist Anfang August automatisch auslaufen.