Das Knappe wird gerecht verteilt
Kubanische Regierung reagiert auf Versorgungsengpässe mit zusätzlicher Kontrolle
Angesichts der sich verschärfenden Versorgungskrise in Kuba will die sozialistische Regierung künftig den Kauf von knappen Lebensmitteln und Hygieneartikeln kontrollieren.
In Havanna macht in diesen Tagen der geflügelte Witz vom Vogel Strauß die Runde. Demnächst werde man auf die Libretas, die Bezugsbüchlein für staatlich subventionierte Lebensmittel, Straußeneier zugeteilt bekommen. Immerhin reiche dann eines der großen Eier für einen Eierkuchen, der eine vierköpfige Familie satt mache, scherzen die Kubaner.
Vor Kurzem hatte Guillermo García Frías, 91-jähriger Veteran der kubanischen Revolution, ob der sich abzeichnenden Versorgungskrise seinen Landsleuten im Fernsehen die Vorzüge der Vogelstrauß-Zucht erläutert. Die Vögel seien ertragreicher als Kühe. »Ein Vogel Strauß legt 60 Eier. Aus 60 Eiern schlüpfen erfahrungsgemäß 40 Küken. Diese 40 Küken haben nach einem Jahr vier Tonnen Fleisch gebildet; während eine Kuh ein Kalb gebiert, das nach einem Jahr noch lange nicht ausgewachsen ist«, rechnete der Revolutionskommandant vor. Die Scherze und Memes (virales Phänomen im Internet, d. Red.) ließen nicht lange auf sich warten.
Noch begegnen die Kubaner den akuter werdenden Versorgungsengpässen mit Galgenhumor. Doch schon bald könnte ihnen das Lachen vergehen. Ende vergangener Woche kündigte die kubanische Handelsministerin Betsy Díaz Velázquez an, dass der Verkauf bestimmter Lebensmittel und Alltagsprodukte künftig kontrolliert werde. Produkte wie Reis, Speiseöl, Hühnerfleisch, Wurst, Eier, Waschmittel und Zahnpasta dürfen nur noch in festgelegten Mengen gekauft werden. »Kuba rationiert Lebensmittel«, lautete sofort die Schlagzeile, mit der die Rückkehr des Gespenstes der Spezialperiode, den Krisenjahren Anfang der 1990er, an die Wand gemalt wird.
Die Tatsache, dass die Ausgabe kontrolliert werde, bedeutet keine Rationierung, so Díaz gegenüber der Presse in Havanna. »Politik des Landes ist, dass es Angebot gibt.« Ziel seine eine »gerechte und vernünftige« Verteilung der knappen Produkte in der Bevölkerung und die Vermeidung von Hamsterkäufen. Damit soll vor allem die Versorgung sozial Schwächerer garantiert werden. »Der Verkauf begrenzter Mengen führt zu einer gleichmäßigen Verteilung, so dass die meisten Menschen Produkte kaufen und wir das Horten vermeiden können«, so Díaz.
Die kontrollierte Ausgabe von Lebensmitteln und Hygieneprodukten betrifft sowohl die kubanischen Bodegas auf Pesobasis als auch Devisenläden. In den Bodegas werden neben der Verteilung auf Bezugsbüchlein Grundnahrungsmittel auch im freien Verkauf in der Landeswährung Kubanischer Peso (CUP) angeboten. In den Devisengeschäften gibt es dagegen vornehmlich Importprodukte zu kaufen. Zahlungsmittel hier ist der sogenannte Konvertible Peso (CUC), dessen Wert an den US-Dollar gekoppelt ist.
So werden künftig zum Beispiel zu den fünf Hühnereiern pro Person, die jedem Kubaner monatlich über die libreta zustehen, zusätzlich weitere fünf pro Person angeboten. Zuvor gab es Hühnereier auch im freien Verkauf, oft aber waren sie nur auf dem Schwarzmarkt zu bekommen – zum Drei- bis Vierfachen des staatlichen Ausgabepreises. »Bis es nicht eine Stabilität bei diesem Produkt gibt, sowie bei anderen Typen von Protein, wird der freie Verkauf nicht wieder aufgenommen«, erklärte die Ministerin. Im Fall von Hühnerfleisch, das fast ausnahmslos importiert werden muss, wird der freie Verkauf fortgesetzt, allerdings eine Höchstgrenze von fünf Kilo pro Person festgesetzt. Die Maßnahmen werden nach Angaben des Ministeriums für Binnenhandel im Mai nach und nach implementiert. Betsy Díaz Velázquez
Kubaner, die von staatlichen Gehältern oder Rente leben, zeigen sich erleichtert. »Die Maßnahmen sind wichtig für die Leute, die sich die Schwarzmarktpreise nicht leisten können«, sagt Ramón Pedreira, 60, der als Nachtwächter arbeitet. Auf der Insel war es in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder zu Versorgungsengpässen gekommen – bei Mehl, Eiern, Speiseöl, Papier. Lange Warteschlangen vor Geschäften und Supermärkten gehören wieder zum alltäglichen Straßenbild.
»Wir wissen, dass es schwere Zeiten sind«, sagte Kubas Präsident, Miguel Díaz-Canel, bei einem Arbeitsbesuch in der Provinz Granma im Osten der Insel in der vergangenen Woche. »Wir haben Probleme bei der Versorgung und Finanzierung und andere Beschränkungen wegen der neuen Blockade-Maßnahmen der USA.« Die USA haben in den vergangen Wochen die Sanktionen gegenüber Kuba verschärft. Ausländische Investitionen fließen nicht wie von der Regierung in Havanna erhofft. Wirtschaftsminister Alejandro Gil Fernández kündigte kürzlich die Reduzierung von Importen an, da Devisen fehlten. Kuba importiert rund drei Viertel seiner Lebensmittel und gibt dafür jährlich rund zwei Milliarden US-Dollar aus. Die wirtschaftliche und politische Krise des engsten Verbündeten Venezuela macht Kuba zusätzlich zu schaffen.
»Bis es nicht eine Stabilität bei Hühnereinen Produkt gibt, sowie bei anderen Typen von Protein, wird der freie Verkauf nicht wieder aufgenommen.«