Gefährlicher Präzedenzfall
Die Vorgänge beim Bezirksamt Lichtenberg sind ein gefährlicher Präzedenzfall. Sollte es wirklich durchgehen, dass Essensspenden von der Tafel beim Wohngeld als Einkommen verrechnet werden, können die Tafeln in Deutschland gleich ganz dichtmachen. Oder sie müssten Teil der staatlichen Sozialstruktur werden, inklusive öffentlicher Gelder. Diese Form der staatlichen Elendsverwaltung kann jedoch keiner wollen, wie sähe das auch aus, wenn in einem so reichen Land wie Deutschland Bedürftige mit abgelaufenen Lebensmitteln statt mit genug Kohle für Essen abgespeist würden?
Natürlich ist dies bereits jetzt der Fall, nur eben nicht offiziell. Allein die bloße Existenz der Tafeln ist schon ein Armutszeugnis für den deutschen Sozialstaat. Die Tafel steht dabei vor dem gleichen Problem, wie viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die Aufgaben übernehmen, die eigentlich dem Staat obliegen. Man kennt das aus der Flüchtlingsarbeit: Menschen engagieren sich ehrenamtlich, um ihren bedürftigen Mitmenschen zu helfen; der Staat nutzt das aus, und aus den provisorischen Hilfestrukturen wird ein dauerhaftes prekäres Hilfesystem – der Staat muss sich nicht mehr kümmern, und billiger ist es für ihn auch. Warum etwas ändern, funktioniert doch auch so.
Eine derartige Politik sollte jedoch nicht die Maxime einer rotrot-grünen Regierung sein. Zwar sind dem Reformwillen des Mittelinks-Bündnisses durch bundesgesetzliche Regelungen viele Grenzen gesetzt – so kann dieses nichts daran ändern, dass der Wohngeldantrag an sich schon derart kompliziert ist, dass dahinter nur Absicht stecken kann. Oder der Kreis der Berechtigten viel zu klein gehalten ist. Dass nun aber ausgerechnet ein links regiertes Bezirksamt beim Wohngeld Abfall als Einkommen anrechnet, kann man nicht mehr auf den Bund schieben. Diesen Tabubruch hat allein das Bezirksamt Lichtenberg zu verantworten. Dort sollte man seinen Fehler schleunigst eingestehen und den fehlerhaften Bescheid zurücknehmen.