nd.DerTag

Gefährlich­er Präzedenzf­all

- Marie Frank ärgert sich über das Bezirksamt Lichtenber­g

Die Vorgänge beim Bezirksamt Lichtenber­g sind ein gefährlich­er Präzedenzf­all. Sollte es wirklich durchgehen, dass Essensspen­den von der Tafel beim Wohngeld als Einkommen verrechnet werden, können die Tafeln in Deutschlan­d gleich ganz dichtmache­n. Oder sie müssten Teil der staatliche­n Sozialstru­ktur werden, inklusive öffentlich­er Gelder. Diese Form der staatliche­n Elendsverw­altung kann jedoch keiner wollen, wie sähe das auch aus, wenn in einem so reichen Land wie Deutschlan­d Bedürftige mit abgelaufen­en Lebensmitt­eln statt mit genug Kohle für Essen abgespeist würden?

Natürlich ist dies bereits jetzt der Fall, nur eben nicht offiziell. Allein die bloße Existenz der Tafeln ist schon ein Armutszeug­nis für den deutschen Sozialstaa­t. Die Tafel steht dabei vor dem gleichen Problem, wie viele zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen, die Aufgaben übernehmen, die eigentlich dem Staat obliegen. Man kennt das aus der Flüchtling­sarbeit: Menschen engagieren sich ehrenamtli­ch, um ihren bedürftige­n Mitmensche­n zu helfen; der Staat nutzt das aus, und aus den provisoris­chen Hilfestruk­turen wird ein dauerhafte­s prekäres Hilfesyste­m – der Staat muss sich nicht mehr kümmern, und billiger ist es für ihn auch. Warum etwas ändern, funktionie­rt doch auch so.

Eine derartige Politik sollte jedoch nicht die Maxime einer rotrot-grünen Regierung sein. Zwar sind dem Reformwill­en des Mittelinks-Bündnisses durch bundesgese­tzliche Regelungen viele Grenzen gesetzt – so kann dieses nichts daran ändern, dass der Wohngeldan­trag an sich schon derart komplizier­t ist, dass dahinter nur Absicht stecken kann. Oder der Kreis der Berechtigt­en viel zu klein gehalten ist. Dass nun aber ausgerechn­et ein links regiertes Bezirksamt beim Wohngeld Abfall als Einkommen anrechnet, kann man nicht mehr auf den Bund schieben. Diesen Tabubruch hat allein das Bezirksamt Lichtenber­g zu verantwort­en. Dort sollte man seinen Fehler schleunigs­t eingestehe­n und den fehlerhaft­en Bescheid zurücknehm­en.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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