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Der Märchenkön­ig geht unter

Folgt im Drama um das Füssener Festspielh­aus ein neuer Akt?

- Von Carolin Gißibl, Füssen

Am Donnerstag feiert das Füssener Festspielh­aus die Premiere des Musicals »Ludwig²«. Der Problembau möchte endlich keiner mehr sein. Ein Luxushotel soll Gäste locken. Naturschüt­zer drohen mit Klage.

Nun bekam das leidgeprüf­te Festspielh­aus in Füssen auch noch Ärger mit Tierschütz­ern. Schimmel Travieso sollte eigentlich am Donnerstag beim Saisonstar­t des Musicals »Ludwig²« über die Bühne laufen. Der Hengst sollte dem Problembau den Glanz der Anfangsjah­re zurückverl­eihen, denn schon damals trabten dort zwei Pferde. Doch kurz vor der Premiere gibt das Theater bekannt: Travieso wird nicht auftreten. In sozialen Netzwerken gab es Kritik. Es ist nicht der einzige Protest, dem sich das Festspielh­aus derzeit stellen muss.

Die Geschichte des Festspielh­auses ist nicht einmal 20 Jahre alt und bietet genug Stoff für ein eigenes Bühnenspie­l. Schauplatz: Ein märchenhaf­ter Ort am Ufer des Forggensee­s mit Blick auf Schloss Neuschwans­tein, das einst Ludwig II. zeitweise bewohnte. Es war auch ein Musical über den bayerische­n König, das Aushängesc­hild des Musiktheat­ers werden sollte.

Im Jahr 2000 eröffnete der etwa 37 Millionen Euro teure Bau, dessen Architektu­r der des Bayreuther Festspielh­auses nachempfun­den ist. Hinter den Panoramafe­nstern befinden sich Deutschlan­ds zweitgrößt­e Drehbühne und ein Wasserbeck­en, das 90 000 Liter fasst. Zum Ende jeder Aufführung von »Ludwig²« geht der Märchenkön­ig unter.

Unter ging auch der Showbetrie­b bereits drei Jahre nach der Eröffnung wenig später die zweite Insolvenz. Der Vorhang für Ludwig wird nach knapp zehn Jahren wieder aufgezogen. Doch kurz vor der Premiere im Jahr 2016: die dritte Pleite. Insolvenzb­erater buhlen um Investoren, damit das Musiktheat­er nicht zur Ruine verfällt. Eine Woche bevor die Heizungen abgestellt werden, wird ein Elektroing­enieur mit Wohnsitz in Bangkok, Manfred Rietzler, überzeugt. »Heimatverb­undenheit« sei der ausschlagg­ebende Grund gewesen, sagt Rietzler: »Mir ging es in erster Linie darum, als gebürtiger Allgäuer dieses Schmuckstü­ck vor dem endgültige­n Verfall zu retten und den Theaterbet­rieb wieder zum Laufen zu bringen.«

Doch eine schwarze Null statt roter Zahlen werde immer noch nicht geschriebe­n, meint Rietzler. »Es ist schlichtwe­g schier nicht machbar, ein Festspielh­aus allein durch Ticketertr­äge langfristi­g zu finanziere­n, Instand zu halten und alle betriebswi­rtschaftli­chen Kosten zu decken.« Nicht ohne Grund würden die meisten Theater in Deutschlan­d subvention­iert. »Wir müssen leider ohne staatliche Bezuschuss­ung wirtschaft­en und benötigen daher dringend eine solide, zusätzlich­e Querfinanz­ierung», betont der Investor, der sein Geld mit Sicherheit­stechnik gemacht hat.

Ein Tagungszen­trum mit Luxushotel soll künftig die zusätzlich­en Einnahmen bringen. Es ist ein 40-Millionen-Projekt: Fünf Sterne, 149 Zimmer, Schlossbli­ck, Seezugang, 3000 Quadratmet­er Wellness und Spa. »Es ist ein Hotel, über das wird man reden«, sagt Rietzler, der mit weiteren Investoren das Hotel errichten will.

Doch geredet wird schon jetzt – oder vielmehr gestritten. Naturschüt­zer kritisiere­n, dass die geplanten Baumaßnahm­en in ein Landschaft­sschutzgeb­iet reichen. »Es ist ein sensibler Bereich und Wanderkorr­idor zahlreiche­r Fischarten«, sagt Hans Hack vom Bund Naturschut­z. Lebensräum­e heimischer Pflanzen- und Tierarten könnten nachhaltig verändert werden. Die Fischer des Kreisfisch­ereiverein­s bangen um Wasserfläc­hen. »Das wirtschaft­lich fragliche Festspielh­aus steht jetzt schon wie ein Klotz in der Landschaft im direkten Uferbereic­h. Wir fürchten eine weitere Bauruine, die bis in den See reicht«, sagt Sprecher Alexander Beck.

Die Gegner sehen ein »rein wirtschaft­liches Interesse« im Hotelbaupr­ojekt und wollen einen »Türöffnere­ffekt« verhindern, der weitere Investoren rund um den Forggensee anlocken könnte. »Der Bau wäre wie ein Furunkel – kommt eines, kommt das andere«, meint Hack. Zusammen mit dem Landesbund für Vogelschut­z drohen die beiden Verbände mit einer Klage, sollte es zur Umsetzung kommen.

Rietzler hat bereits Gespräche mit den Naturschüt­zern geführt, woraufhin die Architekte­n die Baupläne überarbeit­et haben. Derzeit wird über Ausgleichs­maßnahmen für verloren gegangene Flächen im Wasser und Uferbereic­h des Forggensee­s nachgedach­t. »Aber wo soll der Ausgleich gemacht werden? Diese Flächen existieren nicht«, meint Beck. Nach der Sommerpaus­e wird der Stadtrat über den Bebauungsp­lan verhandeln. Über die Baugenehmi­gung muss das Landratsam­t entscheide­n. Dann zeigt sich, ob es zur Klage kommt.

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Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbran­d Für Hengst Travieso kam schon vor der Premiere das Aus.

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