Der Märchenkönig geht unter
Folgt im Drama um das Füssener Festspielhaus ein neuer Akt?
Am Donnerstag feiert das Füssener Festspielhaus die Premiere des Musicals »Ludwig²«. Der Problembau möchte endlich keiner mehr sein. Ein Luxushotel soll Gäste locken. Naturschützer drohen mit Klage.
Nun bekam das leidgeprüfte Festspielhaus in Füssen auch noch Ärger mit Tierschützern. Schimmel Travieso sollte eigentlich am Donnerstag beim Saisonstart des Musicals »Ludwig²« über die Bühne laufen. Der Hengst sollte dem Problembau den Glanz der Anfangsjahre zurückverleihen, denn schon damals trabten dort zwei Pferde. Doch kurz vor der Premiere gibt das Theater bekannt: Travieso wird nicht auftreten. In sozialen Netzwerken gab es Kritik. Es ist nicht der einzige Protest, dem sich das Festspielhaus derzeit stellen muss.
Die Geschichte des Festspielhauses ist nicht einmal 20 Jahre alt und bietet genug Stoff für ein eigenes Bühnenspiel. Schauplatz: Ein märchenhafter Ort am Ufer des Forggensees mit Blick auf Schloss Neuschwanstein, das einst Ludwig II. zeitweise bewohnte. Es war auch ein Musical über den bayerischen König, das Aushängeschild des Musiktheaters werden sollte.
Im Jahr 2000 eröffnete der etwa 37 Millionen Euro teure Bau, dessen Architektur der des Bayreuther Festspielhauses nachempfunden ist. Hinter den Panoramafenstern befinden sich Deutschlands zweitgrößte Drehbühne und ein Wasserbecken, das 90 000 Liter fasst. Zum Ende jeder Aufführung von »Ludwig²« geht der Märchenkönig unter.
Unter ging auch der Showbetrieb bereits drei Jahre nach der Eröffnung wenig später die zweite Insolvenz. Der Vorhang für Ludwig wird nach knapp zehn Jahren wieder aufgezogen. Doch kurz vor der Premiere im Jahr 2016: die dritte Pleite. Insolvenzberater buhlen um Investoren, damit das Musiktheater nicht zur Ruine verfällt. Eine Woche bevor die Heizungen abgestellt werden, wird ein Elektroingenieur mit Wohnsitz in Bangkok, Manfred Rietzler, überzeugt. »Heimatverbundenheit« sei der ausschlaggebende Grund gewesen, sagt Rietzler: »Mir ging es in erster Linie darum, als gebürtiger Allgäuer dieses Schmuckstück vor dem endgültigen Verfall zu retten und den Theaterbetrieb wieder zum Laufen zu bringen.«
Doch eine schwarze Null statt roter Zahlen werde immer noch nicht geschrieben, meint Rietzler. »Es ist schlichtweg schier nicht machbar, ein Festspielhaus allein durch Ticketerträge langfristig zu finanzieren, Instand zu halten und alle betriebswirtschaftlichen Kosten zu decken.« Nicht ohne Grund würden die meisten Theater in Deutschland subventioniert. »Wir müssen leider ohne staatliche Bezuschussung wirtschaften und benötigen daher dringend eine solide, zusätzliche Querfinanzierung», betont der Investor, der sein Geld mit Sicherheitstechnik gemacht hat.
Ein Tagungszentrum mit Luxushotel soll künftig die zusätzlichen Einnahmen bringen. Es ist ein 40-Millionen-Projekt: Fünf Sterne, 149 Zimmer, Schlossblick, Seezugang, 3000 Quadratmeter Wellness und Spa. »Es ist ein Hotel, über das wird man reden«, sagt Rietzler, der mit weiteren Investoren das Hotel errichten will.
Doch geredet wird schon jetzt – oder vielmehr gestritten. Naturschützer kritisieren, dass die geplanten Baumaßnahmen in ein Landschaftsschutzgebiet reichen. »Es ist ein sensibler Bereich und Wanderkorridor zahlreicher Fischarten«, sagt Hans Hack vom Bund Naturschutz. Lebensräume heimischer Pflanzen- und Tierarten könnten nachhaltig verändert werden. Die Fischer des Kreisfischereivereins bangen um Wasserflächen. »Das wirtschaftlich fragliche Festspielhaus steht jetzt schon wie ein Klotz in der Landschaft im direkten Uferbereich. Wir fürchten eine weitere Bauruine, die bis in den See reicht«, sagt Sprecher Alexander Beck.
Die Gegner sehen ein »rein wirtschaftliches Interesse« im Hotelbauprojekt und wollen einen »Türöffnereffekt« verhindern, der weitere Investoren rund um den Forggensee anlocken könnte. »Der Bau wäre wie ein Furunkel – kommt eines, kommt das andere«, meint Hack. Zusammen mit dem Landesbund für Vogelschutz drohen die beiden Verbände mit einer Klage, sollte es zur Umsetzung kommen.
Rietzler hat bereits Gespräche mit den Naturschützern geführt, woraufhin die Architekten die Baupläne überarbeitet haben. Derzeit wird über Ausgleichsmaßnahmen für verloren gegangene Flächen im Wasser und Uferbereich des Forggensees nachgedacht. »Aber wo soll der Ausgleich gemacht werden? Diese Flächen existieren nicht«, meint Beck. Nach der Sommerpause wird der Stadtrat über den Bebauungsplan verhandeln. Über die Baugenehmigung muss das Landratsamt entscheiden. Dann zeigt sich, ob es zur Klage kommt.