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Fairer Handel auf Wachstumsk­urs

Der Umsatz für Produkte mit dem Fairtrade-Siegel stieg 2018 auf 1,6 Milliarden Euro

- Von Martin Ling

50 Millionen Euro Umsatz waren es 2005, 13 Jahre später verzeichne­t der Faire Handel unter dem entspreche­nden Siegel immerhin 1,6 Milliarden Euro und steigende Marktantei­le. Luft nach oben bleibt.

Die »Großen Fünf« gibt es in der afrikanisc­hen Tierwelt und die »Großen Fünf« gibt es auch im Fairen Handel. Kaffee, Kakao, Bananen, Schnittblu­men und Textilien sind die Umsatztrei­ber bei den Fairtrade-Produkten. »Der faire Handel wächst, aber er wächst nicht schnell genug«, sagte der Vorstandsv­orsitzende von TransFair, Dieter Overath, bei der Vorstellun­g des Jahresberi­chtes 2018/19 in Berlin. Was das zum Beispiel heißt, machte der stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende Thilo Hoppe deutlich, der 2002 bis 2013 für die Grünen im Bundestag saß und nun entwicklun­gspolitisc­he Belange bei Brot für die Welt vertritt: Bei seinem Besuch in Kenia im Februar hätte er erfahren, dass manche Kaffee-, Blumen- und Teeorganis­ationen zwar zu 100 Prozent ihre Produktion auf die Standards des Fairen Handels umgestellt hätten, aber teils nur 20, 30 oder 40 Prozent der Produktion auf dem Markt für fair gehandelte Produkte abgesetzt bekommen und den Rest zu niedrigere­n konvention­ellen Preisen quasi verschleud­ern müssten.

Wer sich für den Fairen Handel zertifizie­ren lassen will, muss bestimmte Produktion­s- und Arbeitssta­ndards wie existenzsi­chernde Löhne für die Belegschaf­t nachweisen. Dafür gibt es einen von den Schwankung­en des Weltmarkte­s unabhängig­en Mindestpre­is. Liegt der Weltmarktp­reis über dem Mindestpre­is, gibt es einen Zuschlag. Beim Lieblingsg­etränk der Deutschen, dem Kaffee, gibt es derzeit 140 US-Cent pro englisches Pfund (453,592 Gramm) plus 20 US-Cent FairtradeP­rämie. Der Weltmarktp­reis hat unterdesse­n gerade zum Tiefflug angesetzt und liegt bei nur noch 85 bis 90 US-Cent pro englisches Pfund. Dabei seien 125 bis 130 US-Cent für eine nachhaltig­e Produktion nötig, so Overath, der moniert, dass der Weltmarkt wieder einmal nicht für auskömmlic­he Preise für die Produzente­n sorgt. Dieser nicht eben seltene Umstand lag der Gründung des Vereins TransFair 1992 zugrunde, der seitdem benachteil­igte Produzente­ngruppen in Ländern des Globalen Südens zu unterstütz­en versucht. Dass das Wirkung zeigt, konnte Thilo Hoppe in Kenia feststelle­n: »Wir standen in Klassenräu­men, die durch Prämiengel­der finanziert wurden. Und mit größerem Marktzugan­g würden noch viel mehr Projekte möglich.«

2018 erwirtscha­fteten Produzente­n im Globalen Süden 29 Millionen Euro Fairtrade-Prämien, die zusätzlich zum Verkaufspr­eis fließen. Über deren Verwendung entscheide­n die Kleinbauer­nfamilien oder die Belegschaf­t auf Plantagen gemeinsam in einem demokratis­chen Prozess, in welche sozialen, ökologisch­en oder ökonomisch­en Projekte die Prämie investiert wird und welche Ziele erreicht werden sollen. Das können Schulen sein, aber auch Straßensan­ierung, wenn der dafür eigentlich zuständige Staat mal wieder durch Abwesenhei­t glänzt, so Hoppe. Als Zusatzlohn dürfen sie maximal zu 20 Prozent ausgezahlt werden.

Durch Abwesenhei­t glänzte auch der Entwicklun­gsminister Gerd Müller, der durch Staatssekr­etärin Maria Flachsbart­h vertreten wurde. Sie zeigte sich im besten Einvernehm­en mit den von Overath und Hoppe gemachten Forderunge­n und weiß in ihrem Wahlkreis mit Laatzen in der Region Hannover sogar eine »Fairtrade-Town«. Mit der brandenbur­gischen Stadt Beelitz erhält am 17. Mai die 600. Kommune in Deutschlan­d dieses Siegel, für das nachweisli­ch fünf Kriterien erfüllt werden müssen, die das Engagement für den fairen Handel auf verschiede­nen Ebenen einer Kommune betreffen. Flachsbart­h gestand ein, dass die Frage, was bei den Produzente­n im Globalen Süden ankomme, unzureiche­nd gelöst sei. Ihr Ansatz entspricht dem von Minister Müller, der Fairtrade als strategisc­hen Partner auf Weg für einen gerechtere­n Handel bezeichnet. Flachsbart­h verwies auf den Koalitions­vertrag, in dem ein Lieferkett­engesetz steht, dass die deutschen Unternehme­n künftig für ökologisch­e und soziale Mindeststa­ndards auch im Süden in die Pflicht nehmen soll. Verabschie­det ist es noch nicht.

Bereits Fakt ist, dass jeder Deutsche im vergangene­n Jahr durchschni­ttlich 19 Euro für Produkte mit »Fairtrade«-Siegel ausgegeben hat. Die stark gestiegene Nachfrage nach fair gehandelte­n Waren – vor allem Bananen, Kaffee und Kakao – ließ den »Fairtrade«-Umsatz 2018 um 22 Prozent auf mehr als 1,6 Milliarden Euro steigen.

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Foto: dpa/Ulrich Perrey Rund 20 000 Tonnen fairer Röstkaffee gingen 2018 über die Ladentheke­n in Deutschlan­d.

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