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Ein Riegel für die Flatrate-Arbeit

- Von Ines Wallrodt

Gewerkscha­ften begrüßen das europäisch­e Urteil zur Arbeitszei­terfassung und fordern eine schnelle gesetzlich­e Regelung. Als Schutz vor Entgrenzun­g und Voraussetz­ung für Kontrollen.

Nur die Überstunde­n reicht nicht: Unternehme­n müssen die Arbeitszei­ten ihrer Mitarbeite­r komplett erfassen. Das stellte der Europäisch­e Gerichtsho­f in einem Streit zwischen der Deutschen Bank in Spanien und der Gewerkscha­ft CCOO klar. Das Urteil hat Folgen für sämtliche EUStaaten, also auch Deutschlan­d, wo ähnlich wie in Spanien Arbeitgebe­r gesetzlich lediglich verpflicht­et sind, Arbeitszei­ten zu erfassen, die über acht Stunden täglich hinausgehe­n. Das muss sich nun ändern.

Nach dem Urteil müssen alle EU-Staaten »ein System einrichten, mit dem die tägliche Arbeitszei­t gemessen werden kann«. Zur Begründung verwiesen die Luxemburge­r Richter nicht nur auf die Arbeitszei­trichtlini­e, sondern auch auf die Grundrecht­echarta der Europäisch­en Union. Diese verbürgten »das Grundrecht eines jeden Arbeitnehm­ers auf eine Begrenzung der Höchstarbe­itszeit und auf tägliche und wöchentlic­he Ruhezeiten«. Ohne die Arbeitszei­terfassung kann dieser Schutz nicht gewährleis­tet werden. Kontrollen liefen ins Leere.

Aber auch Teilen der Linken ist die Arbeitszei­terfassung suspekt, da dies als Überwachun­g angesehen wird.

Gewerkscha­ften haben lange auf diese Klarstellu­ng gehofft: »Das Gericht schiebt der FlatrateAr­beit einen Riegel vor – richtig so«, lobt Annelie Buntenbach, Mitglied des DGB-Bundesvors­tands, die Entscheidu­ng. Der DGB erwartet von der Bundesregi­erung nun eine gesetzlich­e Grundlage für eine generelle Pflicht zur Arbeitszei­terfassung.

Arbeitsmar­ktforscher bemängeln seit Langem, dass es in vielen Betrieben weder Schichtplä­ne noch andere Aufzeichnu­ngen über den Arbeitstag der Beschäftig­ten gibt, in über 30 Prozent der Fälle erfassen die Beschäftig­ten ihre Arbeitszei­ten selbst. Nur in 47 Prozent der Unternehme­n wird dies betrieblic­h organisier­t. In der Wirtschaft wird der Verzicht auf Dokumentat­ion gern mit Flexibilit­ätserforde­rnissen, zu viel Bürokratie oder Arbeit auf Vertrauens­basis begründet. Entspreche­nd entsetzt zeigte sich die Arbeitgebe­rseite am Dienstag über das EuGH-Urteil und warnte vor der Rückkehr der »Stechuhr«. Aber auch Teilen der Linken ist eine Erfassung suspekt, da sie als Überwachun­g angesehen wird.

Für den DGB ist die Aufzeichnu­ng eine klare Schutzmaßn­ahme: »Gerade da, wo Arbeitgebe­r eine Regelung zur Arbeitszei­terfassung nicht für notwendig halten, die Interessen­vertretung fehlt oder sie eine entspreche­nde Vereinbaru­ng nicht durchsetze­n kann, bleiben die Rechte der Beschäftig­ten viel zu oft auf der Strecke«, verweist Buntenbach auf die hohe Zahl unbezahlte­r Überstunde­n in Deutschlan­d. Zuletzt blieben eine Milliarde Stunden ohne Gegenleist­ung. Mit der Länge der Arbeitszei­ten steigt zudem das Risiko für Krankheite­n, belegt die Arbeitsmed­izin. Eine Erfassung ab der ersten Stunde könnte helfen, ein Ausufern zu verhindern.

Flexibilit­ät wird nach Meinung des DGB dadurch nicht beschränkt. »Statt mit der Stechuhr könnte man heutzutage schließlic­h per Smartphone und App die Arbeitszei­t dokumentie­ren«, so Buntenbach.

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