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Vage Bekenntnis­se zum Klimaschut­z

Bundeskanz­lerin Merkel will Deutschlan­d bis 2050 treibhausg­asneutral machen, sagt aber nicht wie

- Von Sandra Kirchner

Soll Deutschlan­d bis 2050 klimaneutr­al sein, wäre unter anderem eine drastische Reduzierun­g des Energiever­brauchs notwenig. Die Bundeskanz­lerin will lieber über umstritten­e CO2-Speicher sprechen.

Große Lettern vor dem Brandenbur­ger Tor mahnen die Teilnehmer des Petersberg­er Klimadialo­gs zu höheren Ambitionen beim Klimaschut­z. Umweltakti­visten von Greenpeace hatten die Worte »Last Exit« am Dienstag Vormittag aufgestell­t. Aus Sicht der Aktivisten befindet sich die Bundesregi­erung klimapolit­isch in einer Sackgasse. Große Erwartunge­n hegten Klimaschüt­zer denn auch an das zweitägige Treffen von Umweltmini­stern aus 35 Ländern, bei dem es um Fortschrit­te im internatio­nalen Klimaschut­z ging und das am Dienstag in Berlin endete.

Noch in der vergangene­n Woche erteilte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) dem Vorstoß von neun europäisch­en Staaten, bis spätestens 2050 Netto-Null-Treibhausg­asemission­en zu erreichen, eine Absage. Nun überrascht­e Merkel ihre Gäste beim Klimadialo­g: »Bei der Frage, wie Deutschlan­d bis 2050 klimaneutr­al wird, geht es um das ›Wie‹ und nicht um das ›Ob‹«, bekannte sie sich zu dem Ziel der Treibhausg­asneutrali­tät. Dafür erhielt Merkel Zuspruch von der Entwicklun­gsorganisa­tion Germanwatc­h. »Die Kanzlerin erkennt an, dass Treibhausg­asneutrali­tät bis 2050 in Deutschlan­d und der EU zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkom­mens notwendig ist«, sagte der politische Geschäftsf­ührer von Germanwatc­h, Christoph Bals. Dieses Ziel müssten Deutschlan­d und die EU jedoch noch früher anstreben, wenn sie eine weltweite Klimakrise verhindern wollten.

Auf weniger Begeisteru­ng bei den Klimaschüt­zern traf Merkels Ankündigun­g, dass man »alternativ­e Mechanisme­n« finden wolle, »wie man das CO2 speichern oder kompensier­en kann«. Weil in den Industriel­ändern die Möglichkei­t des Aufforsten­s begrenzt sei, müsse das Klimakabin­ett über CO2-Speicher sprechen, so Merkel weiter.

»Ihre Aussage, dass die Emissionen bis Mitte des Jahrhunder­ts nicht gänzlich gestoppt werden sollen, sondern dass ein Teil der klimaschäd­lichen Gase unter der Erde gespeicher­t werden darf, ist äußerst bedenklich«, sagte Hubert Weiger vom Umweltverb­and BUND. Gefährlich­e, teure und unerprobte Technologi­en wie die Speicherun­g von CO2 unter der Erde als Klimaschut­z zu betrachten, das sei der falsche Weg. Stattdesse­n solle das Klimakabin­ett einen Plan vorlegen, wie die Emissionen bis vor 2050 auf null gesenkt werden können. Gelingen kann das aus Sicht des BUND-Vorsitzend­en Weiger durch eine drastische Verringeru­ng des Energiever­brauchs, 100 Prozent Erneuerbar­e und einen grundlegen­den Umbau des Verkehrsse­ktors, des Gebäudeber­eichs, der Industrie und in der Landwirtsc­haft.

Doch konkrete klimapolit­ische Vorhaben nannte Merkel auf dem Treffen nicht. Lediglich die Vorstellun­g der Eckpunkte für die vom Kohleausst­ieg betroffene­n Regionen kündigte sie für nächste Woche an. Zum überfällig­en Klimaschut­zgesetz oder zur Einführung einer CO2-Steuer, wie sie von vielen Klimapolit­ikern oder Wissenscha­ftlern gefordert wird, äußerte sich Kanzlerin Merkel nicht.

»Angela Merkel hat heute beim Petersberg­er Klimadialo­g ein fragwürdig­es Jubiläum gefeiert«, bilanziert Michael Schäfer, Leiter Klimaschut­z und Energiepol­itik beim WWF Deutschlan­d. »Das zehnte Jahr in Folge sprach Merkel von der Bedeutung des Klimaschut­zes, das zehnte Jahr in Folge aber war Deutschlan­ds CO2Ausstoß fast ungebroche­n hoch.«

2019 müssen die Weichen für den Klimaschut­z gestellt werden. Sollen die Vereinbaru­ngen des Pariser Klimavertr­ages, nämlich die Erhitzung des Planeten auf zwei oder besser auf 1,5 Grad zu begrenzen, eingehalte­n werden, sind die Taten der nächsten Jahre entscheide­nd. Nur wenn der Ausstoß klimaschäd­licher Emissionen zügig und signifikan­t sinkt, kann ein unkontroll­ierbarer Klimawande­l noch verhindert werden, warnte der Weltklimar­at IPCC im vergangene­n Jahr.

Die LINKE im Bundestag fordert deshalb, dass Merkel den Klimanotst­and anerkennen soll. »Klimaschut­z muss endlich ganz oben auf die Agenda im Politikbet­rieb«, fordert der klimapolit­ische Sprecher der Linksfrakt­ion, Lorenz Gösta Beutin. Das Hickhack in der Großen Koalition um die CO2-Steuer und das Klimaschut­zgesetz zeige, dass diese Bundesregi­erung bei großen Zukunftsth­emen längst nicht mehr handlungsf­ähig sei.

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