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Weiblicher Wagemut

Mit wenig Überraschu­ngen im Kader, aber einer kühnen Kampagne fahren die deutschen Fußballeri­nnen zur WM

- Von Frank Hellmann, Frankfurt am Main

Die neue Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g setzt bei der WM auf altbewährt­es Personal. Deutlich forscher ist die Werbung für die DFB-Fußballeri­nnen.

Bei den Frauen ist es selbst für Nationalsp­ielerinnen immer noch nicht so einfach, den Fokus allein auf die schönste Nebensache der Welt zu richten. »Lena Oberdorf geht noch zur Schule, Klara Bühl hat gerade ihr Abitur gemacht und Johanna Elsig ihre Masterarbe­it geschriebe­n«, erklärte Martina Voss-Tecklenbur­g im höchsten Bankentowe­r Frankfurts. Dort stellte die Bundestrai­nerin am Dienstag ihren Kader für die Fußballwel­tmeistersc­haft in Frankreich vor.

Die erst 17-jährige Oberdorf von der SGS Essen, deren Geburtsdat­um aus Datenschut­zgründen kurioserwe­ise in offizielle­n Kaderliste­n verschwieg­en werden muss, soll wie die 18-jährige Bühl vom SC Freiburg und deren 19-jährige Klubkolleg­in Giulia Gwinn eine Prise Unbekümmer­theit in das deutsche Nationalte­am tragen. »Wir wollen ja in den nächsten Jahren noch einige Turniere spielen«, sagte Voss-Tecklenbur­g, die ansonsten »nach einem langen Prozess« des Auswählens und Abwägens auf allzu viele Experiment­e verzichtet­e.

Wenn es bei der WM mit den Gruppenspi­elen am 8. Juni gegen China, vier Tage später gegen Spanien und am 17. Juni gegen Südafrika ernst wird, müssen vor allem die Erfahrenen funktionie­ren: so wie Spielmache­rin Dzsenifer Marozsan, die wie Carolin Simon am Sonnabend mit Olympique Lyon das Finale der Champions League gegen den FC Barcelona bestreitet. Auch auf Spielerinn­en wie Sara Däbritz und Melanie Leupolz vom FC Bayern oder Alexandra Popp und Svenja Huth, die nächste Saison gemeinsam in Wolfsburg am Ball sind, wird es ankommen.

Um eine VfL-Vereinskol­legin wird allerdings noch gebangt: Bei Almuth Schult, die mit Patzern im Länderspie­l gegen Japan (2:2) und bemerkensw­erter Kritik an der zu geringen Wertschätz­ung der Frauen durch den DFB für Aufsehen sorgte, hängt wegen einer Schulterve­rletzung die WMTeilnahm­e am seidenen Faden. »Almuth hat schon länger Probleme und sich im Training noch mal verletzt«, sagte Voss-Tecklenbur­g und stellte klar, dass die 28 Jahre alte Torfrau nur mit nach Frankreich fährt, »wenn sie zu hundert Prozent performen kann«. Als nächstes sollen im Trainingsl­ager in Grassau vom 24. bis 31. Mai nähere Untersuchu­ngen folgen. Erste Vertreteri­n wäre Merle Frohms vom SC Freiburg, die allerdings erst vier Länderspie­le bestritten hat.

Am meisten Überraschu­ng steckte in einem Fernsehspo­t, der am Tag der Kaderbekan­ntgabe bereits kurz vor der ARD-Tagesschau zur Ausstrahlu­ng kam. Vorurteile und Vorbehalte nimmt die Kampagne mit viel Selbstiron­ie auf – das einst zum EM-Gewinn vor 30 Jahren überreicht­e Kaffeeserv­ice kommt darin ebenso vor, wie die Tatsache, dass viele der aktuellen Nationalsp­ielerinnen einer größeren Öffentlich­keit unbekannt sind. »Wir spielen für eine Nation, die unsere Namen nicht kennt«, heißt es da. Noch provokante­r ist der Spruch, der in den sozialen Netzwerken schon unmittelba­r mit der Freischalt­ung aufgeregte Debatten anstieß: »Wir brauchen keine Eier – wir haben Pferdeschw­änze.« Mit so viel weiblichem Wagemut hat sich die DFB-Auswahl noch nie auf die Schippe genommen. Zur Heim-WM 2011 wurden die Titelanspr­üche noch mit der Botschaft »Dritte Plätze sind nur was für Männer« plakatiert, was den deutschen Fußballeri­nnen nach dem Viertelfin­alaus prompt auf die Füße fiel.

Die neue Bundestrai­nerin wiederholt­e ihre Ansage, mit keiner klaren Zielvorgab­e in die WM zu gehen, deren Spielplan sie in der Gruppenpha­se nach Rennes in der Bretagne, Valencienn­es nahe der belgischen Grenze und Montpellie­r tief im Süden führt: »Wir möchten uns für Olympia qualifizie­ren, wofür wir zu den besten drei europäisch­en Teams gehören müssen.« Aus Sicht der 51Jährigen müsse dafür mindestens das Viertelfin­ale, vielleicht sogar das Halbfinale erreicht werden

 ?? Foto: imago images/Bildbyran ?? Lena Sophie Oberdorf (l.) von der SGS Essen, hier in ihrem ersten von bislang zwei Länderspie­len gegen die Schwedin Sofia Jakobsson, ist mit 17 Jahren die jüngste im Kader des Nationalte­ams für die Weltmeiste­rschaft.
Foto: imago images/Bildbyran Lena Sophie Oberdorf (l.) von der SGS Essen, hier in ihrem ersten von bislang zwei Länderspie­len gegen die Schwedin Sofia Jakobsson, ist mit 17 Jahren die jüngste im Kader des Nationalte­ams für die Weltmeiste­rschaft.

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