Starker Tobak für Seehofer
Der Bundestag berät über neue Asylgesetze. Verbände warnen vor ihrem Inhalt. Und sie sehen ihre Mitspracherechte im Gesetzgebungsverfahren durch die Bundesregierung beschnitten.
In seiner Antwort vom 12. April nahm der Vorstand des Anwältevereins kein Blatt vor den Mund: Die Fristsetzung des Bundesinnenministeriums von nur drei Tagen über ein Wochenende hinweg sei »unverschämt«. Offensichtlich wolle man »unter Ausblendung schwerwiegender verfassungsrechtlicher Bedenken in kürzester Zeit ein Gesetz diskussionsfrei durch das Parlament bringen«. Einen anderen Schluss lasse die Terminierung nicht zu, so der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV). Das Verfahren entspreche dem Inhalt des Gesetzentwurfs, heißt es in dem Schreiben weiter. »Sie sind mit Ihrem ›Vorhaben‹ dabei, rechtsstaatliche Grundprinzipien aufzugeben, Menschen zu entrechten und ihnen den Zugang zum Recht unter Zuhilfenahme rassistischer Stereotype weiter zu verwehren.« Daran wolle man nicht mitwirken.
Starker Tobak für das Bundesministerium von Horst Seehofer, der seinen Entwurf eines »Geordnete-Rückkehr-Gesetzes« an diesem Donnerstag im Bundestag begründen wird. Rechtliche Bedenken gegen das Gesetz, das unter Menschenrechtlern bereits als »Hau-ab-Gesetz« firmiert, wird er auch dort zu hören bekommen.
»Ihr Verfahren entspricht dem Inhalt des Gesetzentwurfs.« Anwälteverein RAV
Und sie vermutlich in den Wind schlagen. Jedenfalls lässt dies der Umgang mit den Fachkreisen und Verbänden vermuten, deren Berücksichtigung im Gesetzgebungsverfahren die Geschäftsordnung der Bundesministerien vorsieht. Den Verbänden wurden für ihre Stellungnahme so kurze Fristen gesetzt, dass »eine sachgerechte inhaltliche Auseinandersetzung und Kommentierung angesichts der Komplexität der Sachverhalte kaum möglich« ist, wie auch Amnesty international erklärt. Seit Jahren bereits sei es »gang und gäbe«, dass man Gesetzentwürfe mit der Möglichkeit der Stellungnahme binnen zwei Tagen oder weniger zugesandt bekomme, beklagt die Referentin für asylrechtliche Beratung, Susanne Jesih, gegenüber »neues deutschland«, »Bei diesem Vorgehen kann von einer rechtzeitigen und ernsthaften Beteiligung der Zivilgesellschaft nicht gesprochen werden.«
Auch Pro Asyl machte wiederholt deutlich, dass die Fristen eine sachgerechte Beurteilung von Gesetzen in Frage stellen und wohl auch in Frage stellen sollen. Dabei dient das Verfahren dem Zweck, der Bundesregierung »die Gelegenheit zu geben, die Interessen der Betroffenen zu berücksichtigen sowie mögliche Fehler des Gesetzentwurfs oder unzutreffende Sachverhaltsannahmen möglichst frühzeitig zu korrigieren«, wie es in einer Stellungnahme der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages aus dem Jahr 2015 heißt. »Höchst verantwortungslos« nennt es Pro Asyl, dass nicht einmal zweieinhalb Arbeitstage zur Verfügung standen, um das nun dem Bundestag vorliegende Gesetz zu bewerten. Und keine zwei Tage später war bereits der Kabinettsbeschluss darüber vorgesehen. Eine Berücksichtigung von Einwänden war wohl gar nicht erst eingeplant.