Übersichtlich, farbig, verständlich
Eine neue Studie im Auftrag von Foodwatch sucht nach dem besten System zur Lebensmittelkennzeichnung
Foodwatch fordert eine rasche Entscheidung für ein farbiges Nährwert-Logo für Fertigprodukte. Eine Studie spricht für den aus Frankreich stammenden Nutri-Score.
Die Verbraucherorganisation foodwatch fordert von der Bundesregierung die Zulassung der Lebensmittelkennzeichnung Nutri-Score. Diese wurde bereits in einigen europäischen Ländern, darunter Frankreich und Spanien, auf freiwilliger Basis erfolgreich etabliert. Am Mittwoch stellte foodwatch in Berlin eine Studie der französischen Agentur für öffentliche Gesundheit und der Curtin University (Perth/Australien) vor, die in zwölf EU-Ländern, darunter auch Deutschland, untersucht hat, welche Art der Lebensmittelkennzeichnung für Verbraucher am verständlichsten ist und die meisten Wirkungen in Bezug auf ein gesundheitsbewusstes Einkaufsverhalten hat.
Die Nutri-Score-Ampel liegt laut dieser Studie dabei eindeutig vorne. Sie fasst die ohnehin verbindlichen Nährwertkennzeichnungen für Salz, Zucker, Fett etc. anhand anerkannter ernährungswissenschaftlicher Kriterien in einem einfachen farblichen Gesamtbewertungsschema mit den Stufen A bis E zusammen. Bei der Berechnung werden auch positive Bestandteile wie Proteine, Vitamine und Ballaststoffe berücksichtigt. Optisch erinnert diese Ampel an das bewährte System der Energieeffizienz-Kennzeichnungen, die seit vielen Jahren für Elektrogeräte verbindlich sind.
Man wolle Verbraucher »weder bevormunden noch umerziehen« , betonte foodwatch-Ernährungsexpertin Luise Mölling bei der Vorstellung der Studie. Aber gerade Verbrauchern mit wenig Kenntnissen über gesundheitsbewusste Ernährung und mögliche Risiken durch übermäßigen Konsum bestimmter Nährstoffe biete dieses Kennzeichnungssystem eine leicht verständliche Orientierungshilfe. Man wolle auch keine beliebten, ernährungsphysiologisch eher zweifelhaften Produktgruppen wie Tiefkühlpizza oder Cerealien verteufeln, aber die Kennzeichnung schaffe die einfache Möglichkeit, »Produkte von Herstellern zu kaufen, die eine bessere Gesamtbilanz aufweisen«.
Auch Joachim Spranger, Direktor der Medizinischen Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Charité Berlin, unterstrich aus medizinischer Sicht, wie notwendig eine verständliche Nährwertkennzeichnung sei. »Wir haben in Deutschland ein dramatisches Problem mit ernährungsbedingten Erkrankungen wie Diabetes und Adipositas. Eine eine Kennzeichnung ist nach allen vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen ein wichtiges Instrument, um Fehlernährung zu verhindern«, so Spranger. Zudem entstehe auf diese Weise auch Druck auf die Lebensmittelindustrie, gesündere Produkte anzubieten, die in dem Nutri-Score-Ranking besser abschneiden. Erste Erfahrungen in den Ländern, in denen die Ampel bereits eingeführt wurde, belegten diese Effekte eindeutig. Spranger betonte, dass keine Lebensmittelkennzeichnung umfassende Aufklärung und Prophylaxe sowie ein flächendeckendes, niederschwelliges Beratungsangebot ersetzen kann. Dennoch hätte die Einführung von NutriScore eine große Bedeutung
Die Lobbyverbände, allen voran der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Zulassung dieser Kennzeichnung. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) haben sie dabei auf ihrer Seite. Klöckner bezeichnete Ampelkennzeichnungen mehrmals als »irreführend«, und laut einem Berichts des Spiegel vom 29.April hält sie eine Studie, die Nutri-Score positiv bewertet, in ihrem Ministerium unter Verschluss. Klöckner veröffentlichte nur eine offenbar überarbeitete Fassung, die den Nutri-Score zurückhaltend bewertet. Von der Ministerin erwartet foodwatch, »dass sie sich endlich von der unbelehrbaren deutschen Süßwaren- und JunkfoodIndustrie emanzipiert«, so Mölling.
Dem Tiefkühlkost-Unternehmen Iglo wurde auf Betreiben eines Münchener Lobbyvereins im April sogar gerichtlich in erster Instanz untersagt, die Nutri-Score-Ampel für die eigenen Produkte zu benutzen, da dies gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstieße. Iglo will in Berufung gehen und auch andere Firmen wollen Nutri-Score künftig einsetzen. Wegen des schwelenden Streits um die Kennzeichnung von Lebensmitteln hat Iglo zudem vor wenigen Tagen den Branchenverband BLL verlassen. Iglo verknüpfte den Rückzug mit heftiger Kritik. Dem Verband fehle eine strategische Ausrichtung für die Herausforderungen der Branche, und er vernachlässige die Bedürfnisse von mittelständischen Mitgliedern.
Die Lobbyverbände, allen voran der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, wehren sich mit Händen und Füßen gegen die Zulassung dieser Kennzeichnung.