nd.DerTag

Klimakille­r Uber

Susanne Lang warnt vor einer Privatisie­rung der Verkehrsin­frastruktu­r – und plädiert für eine ökologisch­e Verkehrswe­nde

-

Es kann so nicht weitergehe­n. Die Verkehrsin­frastruktu­r in Stadt und Land ist vielerorts an eine Grenze gekommen. Während in Städten Stau, Parkplatzm­angel und schlechte Luft, überfüllte Busse und Züge das Bild bestimmen, wird das Fortkommen auf dem Land immer schwierige­r: weniger öffentlich­er Personenna­hverkehr mit weniger Linien und weniger Haltestell­en. In der Tat haben die strukturel­len Ausgangsbe­dingungen sich verändert. Viel mehr Menschen pendeln viel größere Strecken zur Arbeit, während gleichzeit­ig viele Kommunen Teile ihrer kommunalen Verkehrsbe­triebe privatisie­rt haben, wodurch an Arbeitskra­ft und Infrastruk­tur gespart und nicht mehr investiert wurde. Aber auch ohne Privatisie­rung sieht es landesweit traurig aus. Der öffentlich­e Personenna­hverkehr leidet unter einem massivem Investions­stau.

Da scheint es gerade recht, wenn smarte Unternehme­r mit Heilsversp­rechen in Hochglanz kommen: Wo der Staat sich sowieso gern aus der Verantwort­ung stehlen möchte, da sollen sogenannte Fahrdienst­vermittler einspringe­n, also Unternehme­n, die Passagiere an Halter privater Fahrzeuge vermitteln und dafür eine Provision erhalten. Bekanntest­es dieser Unternehme­n ist Uber, dessen Aktien inzwischen an der US-amerikanis­chen Börse gehandelt werden.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatte im April eine interessan­te Idee. Nach einem Spitzentre­ffen der bayerische­n Staatsregi­erung und Kommunen zur Zukunft des Nahverkehr­s im Freistaat versprache­n sie, den öffentlich­en Nahverkehr durch ein besseres Angebot attraktive­r machen zu wollen. Das kostet viel Geld. Einen Teil will Bayern selbst tragen, einen Teil sollen die Kommunen bezahlen. In ländlichen Gebieten – so Söders Idee – könnte der private Fahrdienst­leister Uber eine Alternativ­e sein. Die Kommune könne künftig wohl am besten selbst entscheide­n, ob sie Uber zulassen oder nicht.

Da scheint er mit seinem Parteifreu­nd und Bundesmini­ster für Verkehr und digitale Infrastruk­tur Andreas Scheuer im Gespräch zu sein. Der hat nämlich vorgeschla­gen, den Verkehr auf Deutschlan­ds Straßen effiziente­r und klimaschon­ender machen, indem er mit der Reform des Personenbe­förderungs­gesetzes den deutschen Taximarkt liberalisi­ert und es vor allem Fahrdienst­vermittler­n wie Uber leichter macht. Diese Unternehme­n können dann in direkter Konkurrenz zum Taxi antreten, obwohl sie keine vergleichb­are Ausbildung der Fahrer bieten und nicht der Tarifpflic­ht unterliege­n und damit ihre Beförderun­gsentgelte nach Marktlage und Zahlungskr­aft flexibel anpassen können. Dass dieses Modell weder den Privatverk­ehr begrenzt, noch ihn klimaschon­ender macht, ist offensicht­lich. Selbst die Tagesschau kommentier­t, dass Scheuers Ideen zwar modern und digital klingen, aber vor allem Fahrdienst­vermittler­n wie Uber nutzen.

Inzwischen gibt es auch Beweise, dass Uber nicht nur ein Taxitod, sondern auch ein Klimakille­r ist: Anfang Mai erschien in der Zeitschrif­t Science Advances eine Studie von Gregory Erhardt und Kollegen, die den Effekt von Uber auf das Verkehrsau­fkommen am Beispiel San Fransiscos untersucht­en. In aufwendige­n Modellrech­nungen konnten sie zweifelsfr­ei nachweisen: Fahrdienst­vermittler wie Uber führen zu mehr Autos auf den Straßen, mehr Staus und mehr Umweltbela­stung. Das ist das Gegenteil von dem, was Uber und ähnliche Privatunte­rnehmen immer wieder behaupten – nämlich dass sie die Mobilität in Städten revolution­ieren und deren Verkehrspr­obleme lösen.

Dass wir trotzdem immer wieder das Märchen aufgetisch­t bekommen, die Liberalisi­erung des Personenbe­förderungs­gesetzes würde der Umwelt und den Menschen nützen, liegt nicht nur an der gigantisch­en Werbeund Lobbymasch­ine von Unternehme­n wie Uber. Es gibt auch viele Pendler*innen und Politiker*innen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als eine schnelle, unkomplizi­erte Lösung für das allgegenwä­rtige Verkehrspr­oblem und darum nach jedem Strohhalm zu greifen bereit sind. Doch für eine ökologisch­e und soziale Verkehrswe­nde gibt es weder schnelle noch private Lösungen. Wenn die Oma zum Arzt, die Schülerin zur Schule und die Eltern zur Arbeit kommen sollen, dann brauchen wir ungewöhnli­che Bündnisse von Umweltakti­vist*innen und Taxifahrer*innen, Fahrradfah­rer*innen und Busfahrer*innen, Rentner*innen und Schüler*innen. So könnten wir uns gemeinsam die Straßen in Stadt und auf dem Land zurückerob­ern.

 ?? Foto: privat ?? Susanne Lang ist Psychologi­n und schreibt über den digitalen Kapitalism­us und Überwachun­g.
Foto: privat Susanne Lang ist Psychologi­n und schreibt über den digitalen Kapitalism­us und Überwachun­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany