Legal, illegal, egal
Der Innensenat korrigiert seinen geplanten Umgang mit Islamisten
Prävention ist nötig im Bereich des islamistischen Extremismus. Doch als der Innensenator vorschlug, auch mit Radikalen zusammenzuarbeiten, sahen das viele Vertreter der Zivilgesellschaft kritisch.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) rudert am Mittwoch zurück: »Ich kooperiere nicht, wie öffentlich behauptet, mit den Muslimbrüdern.« Zu Monatsbeginn hatte er eine Zusammenarbeit mit sogenannten Legalisten, also Islamisten, die der offenen Gewalt abgeschworen haben, bei der Extremismusprävention nicht ausschließen wollen. Dafür erntete er viel Kritik. Die Notwendigkeit der Prävention im Bereich des Islamismus bekräftigte der Senator dagegen noch einmal, bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2018 im entsprechenden Ausschuss des Abgeordnetenhauses. »Wir können die Islamisten nicht immer nur zählen«, so Geisel. Es seien weitergehende Maßnahmen notwendig. Wie diese genau aussehen sollen, erörtert er dann nicht, da er durch einen anschließenden Termin verhindert war. Grundlegend gelte für ihn, so Geisel: »Wir müssen frühzeitig ansetzen.« Da sei man auf einem guten Weg, schätzt es Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, ein. »Ich finde, da machen wir unsere Hausaufgaben ganz gut«, sagt er.
Dass die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit nun so im Fokus steht, ist den vielen Rückkehrern aus den Kriegsgebieten vor allem des sogenannten Islamischen Staates anzulasten. Von den rund 130 islamistischen Ausreisenden der letzten Jahre ist bereits etwa die Hälfte nach Berlin zurückgekehrt (»nd« berichtete). Diese müssen, ganz gleich, ob sie im Gefängnis sitzen oder auch noch auf freiem Fuß sind, wieder integriert werden. Das wirft komplexe Fragen auf.
Der Inhalt der Kritik an der präventiven Zusammenarbeit mit Legalisten ist eigentlich offensichtlich. Wie auch im Bereich des Rechtsextremismus, sollte auch bei diesem Personenkreis niemand auf die Idee kommen, mit fundamentalistischen Ideologen, nur weil sie momentan nicht gewalttätig sind, bei der Prävention beziehungsweise Deradikalisierung zusammenzuarbeiten. Niemand würde Rechte zur Betreuung von militanten Neonazis einsetzen. Darüber ist man sich auch im Senat hinsichtlich des legalistischen Spektrums im Klaren: »Sie agieren im Sinne ihrer Heimatorganisationen«, sagt Staatssekretär Torsten Akmann. Diese heißen Hamas und Hisbollah und agieren als Terrororganisationen im Nahen Osten. Hierzulande gebe es nur einen Unterschied: »In deren Agenda spielt Gewalt keine Rolle.« Noch, sollte man ergänzen, und auch nur unter strategischen Erwägungen.
Auch bei anderen Akteuren, die von Geisels vorschnellem Vorschlag direkt betroffen sind, herrscht bisher Unklarheit über seinen genauen Plan. Thomas Mücke, Vorstand des Violence Prevention Network (VPN) – einer Organisation, die islamistische Aussteiger begleitet und auch präventiv arbeitet – ist sich sicher, dass es eine Zusammenarbeit mit religiösen Gruppen oder Moscheen geben muss. »Früher haben wir eine ganze Reihe Hinweise aus der muslimischen Community bekommen«, sagt er. So hätten Ausreisen in Kriegsgebiete verhindert werden können. Heute sei das nicht mehr so. Verschlossenheit den Gläubigen gegenüber löse keinesfalls das Problem. Das Konzept müsse mehr Offenheit beinhalten. Dahingehend hat Mücke auch die Aussagen des Innensenators interpretiert: Er wolle offensichtlich alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit abwägen, ohne diese sofort zu bewerten. »Da kann ich den Innensenator verstehen.«
Ob dabei auch Legalisten in Betracht kämen? »Natürlich nicht«, stellt der erfahrene Berater klar. Deradikalisierte, so beschreibt Mücke, der mit seiner Organisation schon mehr als 400 Fälle bearbeitet hat, unterschieden sich zum Teil stark voneinander. Einige hätten dem Glauben völlig abgeschworen, andere bräuchten weiterhin ihre Religiosität. Bei diesen Fällen sei sein Projekt überfordert. Hier bräuchte es Betreuung durch einen muslimisch-theologischen Seelsorger, der »jenseits jeden Verdachts des extremistischen Gedankengutes« agieren müsse, sagt Mücke. Die Errichtung eines solchen Dienstes und erst recht die konkrete Diskussion um problematische Gemeinden, sei Aufgabe der Politik.
Hakan Tas, integrationspolitischer Sprecher der LINKE, warnt: »Muslimbrüder kann man nicht voneinander unterscheiden.« Mit denen könne man nicht zusammenarbeiten. Deradikalisierungsprogramme seien unterstützenswert. Wenn Rückkehrer aber nicht nur Mitläufer waren, »muss ihnen hier in Deutschland der Prozess gemacht werden.«