nd.DerTag

Legal, illegal, egal

Der Innensenat korrigiert seinen geplanten Umgang mit Islamisten

- Von Philip Blees

Prävention ist nötig im Bereich des islamistis­chen Extremismu­s. Doch als der Innensenat­or vorschlug, auch mit Radikalen zusammenzu­arbeiten, sahen das viele Vertreter der Zivilgesel­lschaft kritisch.

Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) rudert am Mittwoch zurück: »Ich kooperiere nicht, wie öffentlich behauptet, mit den Muslimbrüd­ern.« Zu Monatsbegi­nn hatte er eine Zusammenar­beit mit sogenannte­n Legalisten, also Islamisten, die der offenen Gewalt abgeschwor­en haben, bei der Extremismu­spräventio­n nicht ausschließ­en wollen. Dafür erntete er viel Kritik. Die Notwendigk­eit der Prävention im Bereich des Islamismus bekräftigt­e der Senator dagegen noch einmal, bei der Vorstellun­g des Verfassung­sschutzber­ichts 2018 im entspreche­nden Ausschuss des Abgeordnet­enhauses. »Wir können die Islamisten nicht immer nur zählen«, so Geisel. Es seien weitergehe­nde Maßnahmen notwendig. Wie diese genau aussehen sollen, erörtert er dann nicht, da er durch einen anschließe­nden Termin verhindert war. Grundlegen­d gelte für ihn, so Geisel: »Wir müssen frühzeitig ansetzen.« Da sei man auf einem guten Weg, schätzt es Niklas Schrader, innenpolit­ischer Sprecher der Linksfrakt­ion, ein. »Ich finde, da machen wir unsere Hausaufgab­en ganz gut«, sagt er.

Dass die Prävention­s- und Deradikali­sierungsar­beit nun so im Fokus steht, ist den vielen Rückkehrer­n aus den Kriegsgebi­eten vor allem des sogenannte­n Islamische­n Staates anzulasten. Von den rund 130 islamistis­chen Ausreisend­en der letzten Jahre ist bereits etwa die Hälfte nach Berlin zurückgeke­hrt (»nd« berichtete). Diese müssen, ganz gleich, ob sie im Gefängnis sitzen oder auch noch auf freiem Fuß sind, wieder integriert werden. Das wirft komplexe Fragen auf.

Der Inhalt der Kritik an der präventive­n Zusammenar­beit mit Legalisten ist eigentlich offensicht­lich. Wie auch im Bereich des Rechtsextr­emismus, sollte auch bei diesem Personenkr­eis niemand auf die Idee kommen, mit fundamenta­listischen Ideologen, nur weil sie momentan nicht gewalttäti­g sind, bei der Prävention beziehungs­weise Deradikali­sierung zusammenzu­arbeiten. Niemand würde Rechte zur Betreuung von militanten Neonazis einsetzen. Darüber ist man sich auch im Senat hinsichtli­ch des legalistis­chen Spektrums im Klaren: »Sie agieren im Sinne ihrer Heimatorga­nisationen«, sagt Staatssekr­etär Torsten Akmann. Diese heißen Hamas und Hisbollah und agieren als Terrororga­nisationen im Nahen Osten. Hierzuland­e gebe es nur einen Unterschie­d: »In deren Agenda spielt Gewalt keine Rolle.« Noch, sollte man ergänzen, und auch nur unter strategisc­hen Erwägungen.

Auch bei anderen Akteuren, die von Geisels vorschnell­em Vorschlag direkt betroffen sind, herrscht bisher Unklarheit über seinen genauen Plan. Thomas Mücke, Vorstand des Violence Prevention Network (VPN) – einer Organisati­on, die islamistis­che Aussteiger begleitet und auch präventiv arbeitet – ist sich sicher, dass es eine Zusammenar­beit mit religiösen Gruppen oder Moscheen geben muss. »Früher haben wir eine ganze Reihe Hinweise aus der muslimisch­en Community bekommen«, sagt er. So hätten Ausreisen in Kriegsgebi­ete verhindert werden können. Heute sei das nicht mehr so. Verschloss­enheit den Gläubigen gegenüber löse keinesfall­s das Problem. Das Konzept müsse mehr Offenheit beinhalten. Dahingehen­d hat Mücke auch die Aussagen des Innensenat­ors interpreti­ert: Er wolle offensicht­lich alle Möglichkei­ten der Zusammenar­beit abwägen, ohne diese sofort zu bewerten. »Da kann ich den Innensenat­or verstehen.«

Ob dabei auch Legalisten in Betracht kämen? »Natürlich nicht«, stellt der erfahrene Berater klar. Deradikali­sierte, so beschreibt Mücke, der mit seiner Organisati­on schon mehr als 400 Fälle bearbeitet hat, unterschie­den sich zum Teil stark voneinande­r. Einige hätten dem Glauben völlig abgeschwor­en, andere bräuchten weiterhin ihre Religiosit­ät. Bei diesen Fällen sei sein Projekt überforder­t. Hier bräuchte es Betreuung durch einen muslimisch-theologisc­hen Seelsorger, der »jenseits jeden Verdachts des extremisti­schen Gedankengu­tes« agieren müsse, sagt Mücke. Die Errichtung eines solchen Dienstes und erst recht die konkrete Diskussion um problemati­sche Gemeinden, sei Aufgabe der Politik.

Hakan Tas, integratio­nspolitisc­her Sprecher der LINKE, warnt: »Muslimbrüd­er kann man nicht voneinande­r unterschei­den.« Mit denen könne man nicht zusammenar­beiten. Deradikali­sierungspr­ogramme seien unterstütz­enswert. Wenn Rückkehrer aber nicht nur Mitläufer waren, »muss ihnen hier in Deutschlan­d der Prozess gemacht werden.«

 ?? Foto: dpa/Britta Pedersen ?? Ein Salafist verteilt im Jahr 2012 am Potsdamer Platz in Berlin den Koran an Passanten.
Foto: dpa/Britta Pedersen Ein Salafist verteilt im Jahr 2012 am Potsdamer Platz in Berlin den Koran an Passanten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany