Fernöstliche Saitenkunst Lichtenberger Prägung
Ehepaar aus Vietnam lehrt in der Schostakowitsch-Musikschule das Spiel traditioneller Instrumente ihrer Heimat
Um den Gebrauch der traditionellen Instrumente zu erlernen, kommen Vietnamesen selbst aus Leipzig oder Hannover nach BerlinLichtenberg. Auch Deutsche trauen sich. Es ist ein Stück Integration.
Ein Musikinstrument spielen zu können, davon hat Kim Dung schon als Kind geträumt. »Aber damals war Krieg in Vietnam, wo ich lebte. Meine Familie war arm. Es blieb ein Traum.« Bis vor vier Jahren. Damals hat die heute 65-jährige Rentnerin, die immer ihre Enkelkinder zum Unterricht an die Musikschule Lichtenberg begleitet hatte, sich entschlossen, selbst Unterricht zu nehmen. Und weil das Spielen eines Musikinstrumentes so klingen sollte, wie sie es sich als Kind erträumt hatte, erlernte sie das Spiel der Dan Tranh, eines traditionellen vietnamesischen Zupfinstrumentes mit 19 Saiten, die sie mit künstlich verlängerten Fingernägeln aus Horn zum Klingen bringt. Möglich ist das, weil an der Schostakowitsch-Musikschule in Lichtenberg mit dem Ehepaar Hoa Phuong Tran und Hung Manh Le zwei professionelle vietnamesische Musiker Unterricht an traditionellen Instrumenten aus ihrer Heimat erteilen.
Dass die Schüler, die an diesen Instrumenten lernen, schon etwas älter sind, komme gar nicht so selten vor, sagt der Lehrer Hung Manh Le. Gut jeder zweite seiner Schüler sei erwachsen. Aber auch fünf Deutsche, darunter ein Berufsmusiker, sowie ein Migrant aus Afrika erlernen bei ihm das Spiel traditioneller fernöstlicher Instrumente. Vietnamesische Schüler kämen sogar aus Leipzig und Hannover nach Lichtenberg, denn der Unterricht an traditionellen vietnamesischen Instrumenten, den es hier seit 2007 gibt, ist bundesweit einmalig. »Meist sind sie 50 oder 60 Jahre alt und sie haben nie in ihrem Leben gelernt, Noten zu lesen«, sagt der Musikschullehrer. So wie das Ehepaar aus Hannover, das ein Dem Bau, ein einsaitiges Zupfinstrument, dessen Saite mit einem Wasserbüffelhorn gespannt ist, aus Vietnam erbte und es gern spielen möchte. Er hilft seinen Schülern, das Instrument mit Klebeband zu beschriften, damit sie wissen, wo es welche Tonhöhe zum Erklingen bringt. »Wenn hingegen Kinder ein Instrument erlernen wollen, empfehle ich zuerst die Flöte. Da kann man die Noten schneller lernen als an vietnamesischen Zupfinstrumenten.« So haben die Musikschullehrer auch eine Bambus-Querflötengruppe aufgebaut, die mitunter im Einkaufszentrum »Eastgate« in Marzahn vor Kunden spielt.
Die erwachsenen Schüler haben hingegen ein Ensemble mit traditionellen vietnamesischen Instrumenten aufgebaut. Wenn sie, wie beispielsweise im März, bei einer Veranstaltung der Bürgerstiftung Lichtenberg in traditioneller vietnamesischer Kleidung die vietnamesischen Instrumente spielten, war das auch ein Hingucker. Das »Hanoi-Ensemble«, wie es sich nennt, darf an diesem Freitag beim deutschlandweiten Musikschultag auftreten. Und zwar mit einer originellen choreographischen Idee, wie Hung Manh Le verrät: Vom Band wird zuerst der frühere US-Präsident John F. Kennedy mit seinem berühmten Satz »Ich bin ein Berliner« eingespielt. »Sofort danach spielen wir. Das soll zeigen: Auch Vietnamesen gehören zu Berlin.« Le ist das wichtig: »Es gibt viele Vietnamesen, die künstlerisch tätig sind, aber ihr Können ausschließlich auf Veranstaltungen von Landsleuten zeigen. Unser Ansatz ist ein anderer: Wir wollen uns als Teil Berlins präsentieren.« Doch Le geht es noch um etwas anderes: »Es gibt viele Politiker in Berlin, die viel für die Integration von Vietnamesen getan haben, wie beispielsweise die frühere Bürgermeisterin von Lichtenberg, Christina Emmerich. Als sie uns bat, vor ihrer Bürgerstiftung unentgeltlich aufzutreten, konnten wir auch etwas zurückgeben.«
So bringt das Erlernen traditioneller vietnamesischer Instrumente für in Berlin geborene Kinder vietnamesischer Familien neben anfänglichen Motivationsproblemen und dem fehlenden Verständnis bei Alterskameraden auch einen großen Vorteil, weiß der Musikschullehrer: »Wer Klavier oder Geige lernt, hat kaum Möglichkeiten, aufzutreten. Auftritte unserer traditionellen Instrumente sind hingegen in Berlin sehr nachgefragt.« Ein Traum ist für Le noch offen: Durch Musik will er die Gruppen der meist aus Nordvietnam stammenden ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter und die der Bootsflüchtlinge, die meist aus dem Süden Vietnams stammen, zusammenbringen. Das sei noch nicht gelungen, räumt er ein. »Da gibt es auf beiden Seiten harte Widerstände.«