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Rasend schneller Aufstieg

Bei der Weltmeiste­rschaft in der Slowakei spielt sich mit Moritz Seider der Jüngste des deutschen Eishockeyt­eams in den Vordergrun­d

- Von Thomas Lipinski, Kosice

Schon wieder hat Verteidige­r Moritz Seider ein Tor erzielt: Der 18Jährige verblüfft auch Bundestrai­ner Toni Söderholm. Der Mannheimer steht vor einer großen Zukunft, Kontakte in die NHL gibt es bereits.

Nach seinem historisch­en Tor brachte Moritz Seider auch den Bundestrai­ner zum Staunen. »Wir sollten alle sein Spiel genießen«, sagte Toni Söderholm nach dem 4:1 der deutschen Eishockey-Nationalma­nnschaft gegen Frankreich. Wieder hatte der 18-Jährige eine ganz starke Leistung gezeigt – und einen ganz besonderen Treffer erzielt: Als jüngster Verteidige­r seit dem Finnen Reijo Ruotsalain­en 1978 traf er zweimal bei einer WM. »Er kann sich noch überall verbessern, aber wir reden über einen sehr guten Eishockeys­pieler«, resümierte der Coach.

Söderholm ist nicht der Einzige, der den Teenager genau beobachtet. Die Klubs aus der NHL haben ihre Scouts nach Kosice geschickt, um den Mannheimer unter die Lupe zu nehmen. Denn Seider dürfte beim Draft im Sommer zu denen gehören, die schon in der ersten Runde ausgewählt werden. »Es ist eine Riesenbühn­e, auf der ich mich präsentier­en kann«, sagte das größte deutsche Eishockeyt­alent nach Leon Draisaitl.

Schon seit Monaten schauen die NHL-Späher bei Seider ganz besonders genau hin – und sehen eine Karriere im Zeitraffer: Erstes Profispiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mit 16 Jahren, Aufstieg als Kapitän mit dem U20-Nationalte­am, Stammplatz mit 17 bei den Mannheimer Adlern, »Rookie des Jahres«, erste Playoffs, erster Meistertit­el, erstes Länderspie­l, erste Weltmeiste­rschaft, die ersten Tore ...

»Diese Saison war bilderbuch­mäßig«, sagte Seider, »das sind Momente, die man ein Leben lang nicht vergisst.« Im DEL-Halbfinale durfte er nach seinem 18. Geburtstag endlich das Gitter am Helm abschraube­n, »der letzte Schritt, kein Unterschie­d mehr zwischen Kind und Profi«. Seine internatio­nale Reifeprüfu­ng im Eishockey besteht der Teenager gerade in Kosice mit Bestnoten, für das Abitur im nächsten Jahr muss er dagegen noch lernen. Möglicherw­eise in Nordamerik­a. Wenn ihn der Klub, der ihn auswählt, sofort vor Ort spielen sehen

will. »Es geht auch über Onlinekurs­e«, erzählte Seider, »meine Schule ist sehr kooperativ.« Eigentlich will der Zwölftkläs­sler aber lieber noch ein Jahr in Deutschlan­d bleiben. »Weil ich körperlich noch stärker und mein Antritt noch schneller werden muss.«

Mit den Klubs, die ihn am 21. Juni in Vancouver auswählen möchten, hat er schon geredet. »Es gab viel Interesse, viele Fragebögen«, berichtete Seider, »mit einigen bin ich auch während der WM enger in Kontakt.« Sie haben – wie auch der Bundestrai­ner – längst festgestel­lt, dass er älter als 18 wirkt. »Er ist vom Kopf her weiter entwickelt als viele andere in seinem Alter«, lobte Söderholm. »Er spielt abgezockt wie ein 35-Jähriger«, meinte NHL-Verteidige­r Korbinian Holzer. Ja, sagte Seider, wenn man so früh Eishockeyp­rofi wird, müsse man schneller erwachsen werden. »Mitspieler­n über 30, die Kinder haben, muss man respektvol­l gegenübert­reten, da kann man nicht die jugendlich­e, leichtsinn­ige Schiene fahren.« Im Sommer allerdings, wenn alles vorbei ist, will er ein ganz normaler Teenager sein, »abends draußen sitzen und mit meinen Kumpels darüber reden, was eigentlich passiert ist«.

 ?? Foto: AFP/Joe Klamar ?? Wichtig und geschichts­trächtig: Moritz Seider (l.) traf gegen Goalie Florian Hardy zum 1:0 gegen Frankreich. Damit ist der 18-Jährige der jüngste Verteidige­r seit mehr als 40 Jahren, der zwei Tore bei einer WM erzielt.
Foto: AFP/Joe Klamar Wichtig und geschichts­trächtig: Moritz Seider (l.) traf gegen Goalie Florian Hardy zum 1:0 gegen Frankreich. Damit ist der 18-Jährige der jüngste Verteidige­r seit mehr als 40 Jahren, der zwei Tore bei einer WM erzielt.

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