Ulrike Wagener Komfortzonen sind besser als ihr Ruf
Ulrike Wagener befreit die Komfortzone vom Luxusgeruch
Das Leben in der Komfortzone genießt einen schlechten Ruf. In Psychologieforen gibt es erschöpfende Anleitungen über Wege heraus aus jenem »Bereich eines Menschen, in dem er sich wohl und sicher fühlt« – hin zu Sphären »where the magic happens«. Und auch in Politik, Wirtschaft sowie im Sport suchen immer mehr das Zauberhafte außerhalb der Komfortzone. Für Daimler-Chef Ola Källenius bedeutet das ein Umschwenken auf »grüne« Technologien statt dieselemittierender SUVs. Laufbegeisterte in Duisburg ziehen den Schlammlauf luftigen Spaziergängen vor – und Justizministerin Katarina Barley gibt den Imperativ »runter vom Sofa« aus.
Letztgenanntes avancierte bekanntlich unter dem französischen Decknamen »Chaiselongue« entgegen seiner recht trivialen wörtlichen Bedeutung »langer Stuhl« zu einem Synonym für Wohlstand und Komfort. Und auch der Komfort selbst machte eine ähnliche Wandlung durch. Abgeleitet vom altfranzösischen – »trösten, stärken, helfen« – gelangte der Begriff mit dem Anfang des 19. Jahrhunderts über das Englische, wo das Verb bis heute tröstet und ermutigt, ins Deutsche. Hier verlor es Stärke und Trost und bezeichnete stattdessen die Bequemlichkeit eines elitären Lifestyles »auf die englische Art«. Dieser Hauch von Elitismus, Faulheit und Bequemlichkeit haftet der Komfortzone bis heute an. Und das wird nicht allen gegönnt.
Gilt für die einen schon eine mehrwöchige Wanderung durch malerische Landschaften als Ausstieg aus der Komfortzone, wird von anderen doch mehr erwartet. So porträtiert jüngst der Journalist Tobias Haberl im »SZ-Magazin« die Feministin Margarete Stokowski als abgehobene Poserin, die sich in ihrer Komfortzone wohlig in Jutebeutel gemummelt habe. Damit spielt er nicht nur auf ihren vermeintlichen Elitismus an, sondern auch auf denjenigen ihrer »Fans«. Dass sie Morddrohungen erhält, in der eigenen Wohnung nicht immer ruhig schlafen kann? Geschenkt!
Es sei drum dem Herrn Haberl eine Wikipedia-Recherche empfohlen. Dort bezeichnet – dem Englischen folgend – Komfort die »Abwesenheit von auffälligen unangenehmen Empfindungen«. Demnach ist das heute so gern geschmähte Diesseits des Zaubers keine Sphäre des Luxus und kein Gefühl, das sich im Massagesessel oder im Strandkorb einstellt. Sondern ein »Zustand körperlicher Leichtigkeit frei von Schmerz und Zwang«, von Bedrohung und anderer Unbill. Und zumindest darauf müssten doch alle ein Recht haben. Oder nicht?