Hefe im Weltall
Forscher testen, ob der Pilz Astronauten mit Vitamin B12 versorgen kann.
Entwässerte Wurst-Pastetchen sowie Lachssalat und Schokopudding: Auf ihrer historischen Reise zum Mond tragen die drei US-Astronauten im Juli 1969 auch einen Gruß der irdischen Ernährungswissenschaft im Gepäck. Rund 50 Jahre später strebt die Raumfahrt fernere Ziele an – etwa den Mars. »Alle wollen zum Mond und zum Mars, aber die Ressourcenfrage ist ungeklärt – besonders für einen Aufenthalt im All, der länger als drei Monate dauert«, sagt Jens Hauslage vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Der DLR-Wissenschaftler wird Mitte Juni in Schweden den Start einer Rakete betreuen, die auch 20 Gramm Hefe an Bord hat: eine kleine Menge für die Forschung, aber vielleicht ein großer Schritt für die Raumfahrt. Denn Hauslage und seine Partner interessiert, ob Hefe in der Schwerelosigkeit das für Menschen unentbehrliche Vitamin B12 bilden kann. Normalerweise nehmen Menschen es zusammen mit Fleisch auf, aber das Weltall fordert Alternativen.
»Das DLR experimentiert mit Hefe zur Vitamin-B12-Versorgung von Menschen in geschlossenen Systemen und hat uns mit ins Boot genommen«, sagt Hefe-Spezialist Dominik Rödel vom BierProjekt Landau eG. Durch das Einbetten in bestehende Versuche entstehe nur organisatorischer Aufwand, Kosten würden fast keine anfallen, sagt Rödel. Die Hefe fliege als kleinstes von insgesamt zehn Experimenten in der Rakete mit, erzählt Hauslage. Die zwölf Meter hohe Rakete startet nahe Kiruna in Nordschweden, steigt bis auf 248 Kilometer Höhe und kehrt nach sechs Minuten in der Schwerelosigkeit zur Erde zurück – am Fallschirm. »Wir wollen uns molekularbiologisch anschauen, was Hefezellen in dieser Stresss-Situation herstellen«, sagt Hauslage. »Nach der Bergung geht die Hefe gekühlt per Express zum Weincampus Neustadt. Die Untersuchung dort dauert sicher mehrere Wochen.«
Ernährung war in der Raumfahrt schon immer ein zentrales Thema. Kalte Paste in Tuben und Happen in Würfelform sind Vergangenheit. Die Speisekarte der Internationalen Raumstation ISS in rund 400 Kilometern Höhe bietet heute Dutzende Möglichkeiten.
Experimentiert wurde auch schon mit Hefe, zum Beispiel 1997 an Bord der damaligen russischen Raumstation »Mir«. Der Unterschied zu bisherigen Hefe-Experimenten sei, dass die Forscher diesmal über sogenannte Kontrollgruppen auf der Erde verfügten, sagt Rödel. »Sprich: Nicht nur der Flug allein, sondern der Vergleich zwischen Flug und irdischer Beharrung ist die eigentliche Aussagekraft.«
Das Hefe-Projekt des DLR mit den Pfälzern wird nach der Auswertung nicht im Tresor verschwinden. Sollte der Pilz die Himmelfahrt gut überstehen, werden in Neustadt kleine Mengen Wein und Bier mit Hilfe der weitgereisten Hefestämme vergoren. »Bei einem Tag der offenen Tür am 1. September werden wir damit eine Blindverkostung durchführen«, kündigt Rödel an.