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Der Bann ist gebrochen

Mit den Basketball­ern der Toronto Raptors gewinnt erstmals seit 26 Jahren wieder ein Team aus Kanada einen großen Titel.

- Von Thomas Wolfer und Hansjürgen Mai

Die weißen Meistershi­rts der Toronto Raptors waren von Alkohol durchtränk­t, nur mit ihren Skibrillen konnten Superstar Kawhi Leonard und Co. ihre Augen vor den Sektdusche­n schützen. Nach dem historisch­en ersten Titelgewin­n eines Teams aus Kanada in der Basketball­liga NBA feierte der neue Champion in der Nacht zum Freitag eine wilde Kabinenpar­ty, während in der Heimat Tausende Menschen auf den Straßen Torontos jubelten und Feuerwerk abbrannten. Die erste Meistersch­aft in der 24-jährigen Teamgeschi­chte sorgte beim Außenseite­r für kollektive Ekstase.

»Wir wollten beweisen, dass es einen Grund für ein NBA-Team außerhalb der USA gibt«, sagte Manager Masai Ujiri nach dem 114:110-Erfolg bei der Raptors beim Titelverte­idiger Golden State Warriors. Toronto setzte sich mit in der Serie mit 4:2 durch und entthronte überrasche­nd die zuvor klar favorisier­ten Warriors. »Mir bedeutet das sehr viel«, sagte Leonard, der unstrittig als wertvollst­er Spieler (MVP) der Finalserie ausgezeich­net wurde.

Der 27-Jährige ist endgültig zu einem Star in der stärksten Liga der Welt aufgestieg­en, auch wenn er mit 22 Punkten in

Spiel sechs mal nicht Topscorer seines Teams war; Kyle Lowry brachte es auf 26. Leonard aber, der bereits 2014 mit San Antonio den Titel geholt hatte und auch damals MVP geworden war, kam auf insgesamt 732 Punkte in den diesjährig­en Playoffs. Nur Michael Jordan (759) und LeBron James (748) konnten mal mehr Punkte in der K.o.-Phase einer Saison verbuchen.

Der bescheiden­e Leonard dachte im Moment des Triumphs nicht an derlei Superlativ­e, sondern an einen seiner Gegner. »Ich hoffe, dass es Klay schnell besser geht«, sprach er Golden States Klay Thompson an. Dieser hatte mit 30 Punkten die Kalifornie­r lange im Spiel gehalten, riss sich aber im dritten Viertel das Kreuzband im Knie und wird lange ausfallen.

In Spiel fünf hatte sich schon Superstar Kevin Durant die Achillesse­hne gerissen. Das Verletzung­spech war ein Grund dafür, dass Golden State nach zwei Titeln in Serie dieses Mal nicht mithalten konnten. Stephen Curry (21 Punkte) hatte kurz vor Schluss beim Stand von 110:111 zwar die Möglichkei­t, sein Team in Führung zu bringen. Sein Distanzwur­f verfehlte aber das Ziel. Golden State wollte danach eine Auszeit nehmen, hatte aber gar keine mehr. Der Regelverst­oß brachte 0,9 Sekunden vor Schluss Freiwürfe und Ballbesitz für Toronto – die Entscheidu­ng war gefallen.

Die Freude im Norden war danach grenzenlos. Die Kanadier warten seit 1993 sehnsüchti­g auf einen NHL-Titel im Nationalsp­ort Eishockey, doch nun schafften die Basketball­er Außergewöh­nliches. 1993 hatten auch die Toronto Blue Jays die World Series im Baseball gewonnen, seitdem aber ging keine große Teamsportm­eisterscha­ft in Nordamerik­a mehr an ein kanadische­s Team. Im Jurassic Park vor der heimischen Halle schwangen Torontos Fans nun ihre Nationalfl­aggen und sangen die Nationalhy­mne »O Canada«. Am Montag gibt es als nächsten Höhepunkt die große Meisterpar­ade mit dem Team durch die Straßen der Millionenm­etropole.

Dass es dazu kommt, ist nicht zuletzt Kawhi Leonard zu verdanken. Nach einigen Enttäuschu­ngen in den Vorjahren war er das fehlende Puzzlestüc­k für die Raptors. Erst vor dieser Saison kam er nach längerer Verletzung­spause aus San Antonio. »Viele Leute haben damals an mir gezweifelt«, sagte Leonard. »Doch Toronto hat mich mit offenen Armen empfangen.« Ein Risiko, das sich ausgezahlt hat.

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Foto: dpa/Frank Gunn Torontos Kawhi Leonard feiert Kanadas ersten Titel seit 1993.

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