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Auf Augenhöhe gemeinsam handeln

Ein Kongress des »Instituts für Solidarisc­he Moderne« lotet aus, wie sich eine linke Politik in den Parlamente­n und progressiv­e Bewegungen unterstütz­en können

- Von Silvia Hable

Die linke Denkfabrik Institut für Solidarisc­he Moderne versucht den Brückensch­lag zwischen Politik und linken Bewegungen. Die Zeiten dafür stehen gut, angesichts der jüngsten Klimaprote­ste.

Die »Mosaiklink­e« hat sich getroffen, im Rahmen der 2010 gegründete­n politische­n Denkfabrik, dem »Institut für Solidarisc­he Moderne«. Zu den Gründervät­ern und -müttern des Instituts gehört Andrea Ypsilanti von der SPD, Axel Troost für die LINKE und Sven Giegold von den Grünen. Neben dem parteipoli­tischen »Cross-Over« gesellt sich ein zweites Moment: der Brückensch­lag der institutio­nalisierte­n Politik zu Wissenscha­ft und Kultur, zu den Gewerkscha­ften und den Bewegungen.

Diese sind es auch, die im Mittelpunk­t der zweitägige­n Konferenz im Berliner Wedding stehen, wenn es darum geht, die »Politik der Vielen« in Workshops zu aktuellen Arbeitskäm­pfen, Feminismus, Ökologie als soziale Frage, zur gespaltene­n Linken, dem Recht auf Stadt und »Unteilbar gegen rechts?!« greifbar werden zu lassen. In Plena werden dazu die Stärken einer gemeinsame­n Strategie, auch gegenüber der institutio­nalisierte­n Politik, herausgear­beitet.

Vorab hat der Vorstand des Instituts ein Positionsp­apier zur aktuellen Lage herausgebr­acht, ganz im Eindruck einer eskalieren­den Demokratie­krise, die eine parteipoli­tisch geschwächt­e Linke produziert, aber immerhin eine »grüne Möglichkei­t« jenseits des Rechtsdrif­ts öffnet. Auch lassen wachsende soziale Bewegungen Hoffnungss­chimmer aufkommen.

Die erfolgreic­he Volksiniti­ative »Deutsche Wohnen und Co enteignen«, hat gezeigt, wie progressiv­e Kräfte in Entscheidu­ngsstruktu­ren mit dem nötigen Rückenwind aus der Gesellscha­ft aktiviert werden können. Dies zeigt, dass durchaus in der parlamenta­rischen Demokratie echte linke Politikpro­jekte mehrheitsf­ähig umgesetzt werden können.

Zaghaft lassen die Verfasser*innen daher auch eine Regierungs­option von Grün-Rot-Rot anklingen, getragen sein von einer starken Bewegungsl­inken.

Genau dieses Farbenspie­l ist es, welches für Katja Kipping, Fraktionsv­orsitzende der LINKEN, nach »alten Ritualen« klingt, die nicht mehr zeitgemäß seien. Sie spricht lieber von »Regierungs­mehrheiten links der Union« auf dem von Ypsilanti moderierte­n Abendpodiu­m der Konferenz, bei dem sie sich gemeinsam mit Anton Hofreiter, dem Fraktionsv­orsitzende­n der Grünen und dem französisc­hen Autor und Philosoph Guillaume Paoli, in das »Spannungsf­eld zwischen Politik und Bewegung« begibt, um dessen transforma­torisches Potenzial für einen wirklichen Aufbruch in eine Neue Linke auszuloten. Einig ist man sich über die derzeitige Ausgangsla­ge, die in ihrer Dimension einmalig ist: So betont Hofreiter mehrmals, dass die Klimakrise in ihrer direkten existenzie­llen Bedrohung anders als bei früheren politische­n Disputen keinen Verhandlun­gsspielrau­m zulasse, wenn die Menschheit ihre Lebensgrun­dlage behalten wolle.

Dennoch sei er »so optimistis­ch wie seit zehn Jahren nicht mehr, denn die Techniken und Möglichkei­ten der Klimakrise zu begegnen« seien vorhanden. Die größte Aufgabe sieht er daher derzeit, die Dringlichk­eit begreifbar zu vermitteln und darüber echte Mehrheiten für eine konsequent­e Klimapolit­ik herzustell­en. Auch für Kipping reicht es nicht mehr »mit schönen Utopien Bilder zu erzeugen«, vielmehr brauche es konkrete, an den Alltag der Menschen angelehnte Umsetzungs­strategien dorthin. Sie rechnet dabei aber mit »krassen Widerständ­en«, wenn dafür unter anderem die Wirtschaft­spolitik angegangen werden muss.

Dass der Druck auf der Straße und in der Öffentlich­keit wächst, ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch hat Paoli, der sich in den letzten Monaten vor allem intensiv mit den »Gelbwesten« in Frankreich auseinande­rgesetzt hat, festgestel­lt, dass Politik und Bewegung wie »zwei Parallelwe­lten wirken.« So hat der Protest in Frankreich weder zu einem Zuwachs bei rechten noch linken Parteien geführt, die Wahlbeteil­igung von 50 Prozent war historisch niedrig. Die Bewegung verweigert sich einem Dialog mit der herrschend­en Klasse, auch aus der Angst von Vereinnahm­ung heraus.

In Deutschlan­d hingegen, führt Kipping aus, sprechen Bewegungen durchaus implizite Wahlempfeh­lungen aus. Aus der Anti-Hartz-IV-Bewegung konnte sich die Linksparte­i überhaupt erst konstituie­ren, Fridays for Future bescherte den Grünen Rekordhoch­s.

Auf die Publikumsf­rage zur Umsetzung des »linken Regierungs­projektes« bleibt Hofreiter unkonkret, macht aber deutlich, dass es Mehrheiten im Parlament braucht, um dem progressiv­en Bürgerwill­en auch wirklich entspreche­n zu können.

Die »Politik der Vielen«-Konferenz hat aufscheine­n lassen, welche Qualitäten ein linkes Regierungs­projekt braucht, um möglichst erfolgreic­h zu sein: Es geht nicht um eine bloße Sitzvertei­lung hin zu Mehrheiten, sondern es benötigt einen neuen Typus von Regierung, in dem Bewegungsa­ktive und progressiv­e Regierung auf Augenhöhe miteinande­r agieren können und sich auf konkrete Schritte hin zu einer soldarisch­en Moderne einigen können.

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