Ein Bärendienst für die Kleinbauern
Der Bananen-Preiskampf in den hiesigen Supermärkten geht auf Kosten der Produzenten in Ecuador
Ecuador ist der größte Bananenexporteur der Welt. Doch in den Anbauregionen geht es alles andere als fair zu. Dazu tragen deutsche Supermärkte genauso eine Mitverantwortung wie die EU.
William Justavino trägt einen Stapel leere Kartons nach dem anderen in das Lagerhaus der Genossenschaft La Libertad. Bis hoch an die Decke stapeln die fünf, sechs Genossen, die gemeinsam mit ihm den Lkw ausräumen, die gefalteten Pappen mit dem FairtradeLogo und dem Schriftzug Banafair. Der in Gelnhausen bei Frankfurt am Main ansässige Bananenimporteur beliefert die Weltläden in Deutschland und ist wichtigster Abnehmer der 27 Mitglieder zählenden Kleinbauern-Genossenschaft aus dem Cantón Balao in Ecuadors Süden. »Banafair garantiert uns seit fast 20 Jahren die Abnahme unserer Biobananen zu einem fairen Preis«, erklärt Justavino. Der liege bei 8,20 US-Dollar pro Karton. Zusätzlich gebe es einen US-Dollar Prämie für die Durchführung sozialer Projekten.
Der stämmige Bauer mit dem grauen Strähnen im struppigen Haar baut auf sechs Hektar Bananen, etwas Kakao sowie Obst an. Einmal pro Woche wird geerntet, dafür holt sich Justavino Unterstützung. »Vier, fünf Arbeiter helfen mir beim Ernten, Sortieren und Verpacken der Bananen. 25 US-Dollar zahle ich ihnen für fünf, sechs Stunden Arbeit«, schildert er die Abläufe. Noch in der gleichen Nacht gehen die noch grünen Früchte per Kühlcontainer nach Deutschland.
Es ist ein relativ guter Lohn, den Justavino für die Arbeit zwischen den in der gleißenden Sonne vor Feuchtigkeit dampfenden Bananenstauden zahlt. Auf den riesigen Plantagen, die unter anderen deutsche Supermarktketten wie Aldi und Rewe beliefern, wird deutlich schlechter gezahlt und länger gearbeitet, sagt Jorge Acosta. Der 59-Jährige ist Koordinator der Branchengewerkschaft ASTAC und regelmäßig in der Anbauregion unterwegs. »15 bis 17 US-Dollar sind es für den Arbeitstag mit oft zwölf, manchmal auch vierzehn Stunden«.
Acosta ist Mitte Juni erst aus Brüssel zurückgekommen, wo er eine Beschwerde wegen Verletzung der Bestimmungen des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Ecuador Bestimmungen eingereicht hatte. »Das schreibt in einem seiner Paragrafen vor, dass die Vertragspartner Menschen- und Umweltrechte garantieren – beide werden in Ecuador verletzt, aber niemanden kümmert es«, schimpft er. Doch hatte er mit seiner Beschwerde keinen Erfolg.
Dabei war alles gut vorbereitet: Er hatte Verstöße gegen Arbeitsrechte dokumentiert sowie eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung geförderte Studie vom Institut für ecuadorianische Studien (IEE) im Gepäck, in der nicht nur nachgewiesen wird, wie gut vernetzt die Bananeros, die Plantagenlobbyisten, in der Politik sind, sondern auch, dass in Ecuador zahlreiche Pestizide zum Einsatz kommen, die in Europa längst verboten sind.
Das war eigentlich genug Munition, um gegen die Bananenlobby einen Achtungserfolg zu erlangen, aber die Beschwerde hatte keinerlei Folgen: »Der entsprechende Passus im Abkommen ist ein Papiertiger – Handel kommt vor Arbeits- und Menschenrechten. Sanktionen nicht vorgesehen«, ärgert sich der Gewerkschaftskoordinator.
Nun sucht er nach Alliierten, will Gespräche mit den Organisationen der Kleinbauern führen und schließt auch den Gang vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) nicht aus. »In Ecuador sind die juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft, hier ist die Justiz nicht unabhängig. Unsere organisierten Arbeitnehmer werden wenige Tage nach der Gründung einer Gewerkschaft auf den Plantagen entlassen – Arbeitsministerium und Gerichte tun gar nichts«, erzählt Acosta.
Diese Verhältnisse ermöglichen erst die Produktion der Billigbananen, die bei Aldi, Edeka, Lidl und Rewe landen. Die lieferten sich in den letzten Monaten einen Preiskampf, wie es ihn so noch nicht gegeben hat. Bananen wurden für weniger als ein Euro das Kilo angeboten. Ein Grund für den Preiskampf auf Kosten der Bauern war die Tatsache, dass die Konkurrenz dem Discounter Lidl ein auswischen wollte. Der hatte im November 2018 angekündigt nur noch fair gehandelte Bananen im Sortiment zu führen und damit auf zahlreiche Berichte über Arbeitsrechtsverletzungen auf Plantagen, die Lidl beliefern, reagiert.
»Die Entscheidung war ein Meilenstein, aber ich hätte Lidl durchaus mehr Durchhaltevermögen zugetraut«, kommentiert Oxfam-Kampagnenkoordinator Frank Braßel die Rolle rückwärts, die der Discounter Ende Mai machte. Da gab Lidl bekannt, dass man fortan dem Kunden die Wahl zwischen konventionellen, Fairtrade- und Bio-Fairtrade-Bananen lassen wolle. Lidl erwies den Arbeitsrechten in Ecuador einen Bärendienst, der auch bei den Kleinbauern auf Kritik stößt.
»Wir sind privilegiert, weil wir einen festen Abnehmer haben, der faire Preise zahlt«, erklärt Bananenbauer Justavino. Denn würde er auf dem freien Markt verkaufen müssen, würde er nur den staatlich fixierten Mindestpreis von 6,30 US-Dollar pro Kiste oder sogar noch weniger erhalten. »Ich müsste dann meine Biofinca verkaufen«, sagt Justavino. Er plädiert deswegen für mehr Kontrollen auf den Plantagen. Doch wer sie durchführen soll, kann auch er nicht beantworten.