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Kriegsthea­ter gegen Völkerrech­t

Das internatio­nale Seerecht sorgt seit 25 Jahren dafür, dass die Straße von Hormus frei passierbar ist – sogar für US-Kriegsschi­ffe

- Von Hermannus Pfeiffer

Ein Fünftel des weltweiten Ölhandels wird über die Straße von Hormus abgewickel­t. Das macht die Meerenge zu einem neuralgisc­hen Punkt für den Welthandel.

Die britische Regierung wirbt bei europäisch­en Staaten für eine gemeinsame maritime Überwachun­gsmission in der »Straße von Hormus« und im Persischen Golf. Lange galt Großbritan­nien als führende Kolonialma­cht in der Region; in Gibraltar halten die Briten einen iranischen Tanker fest. Auch Washington buhlt um eine internatio­nale Marinemiss­ion. US-Präsident Donald Trump betrachtet wie seine Vorgänger die Golfregion als vitales Interessen­gebiet. Geschützt werden soll die freie Schifffahr­t, der freie Welthandel.

Diese sieht auch Iran bedroht. Eine Marinemiss­ion wäre eine »feindselig­e Botschaft«. Wiederholt drohte Teheran mit einer Schließung der Straße von Hormus, dem Nadelöhr, das die Öltanker passieren müssen, wenn sie ihre Fracht aus Irak, Saudi-Arabien und auch Iran in alle Welt verschiffe­n. Iran hält seit einigen Tagen einen britischen Tanker fest.

In allen Fällen berufen sich die Akteure mehr oder weniger ausdrückli­ch auf die Freiheit der Meere. Verbindlic­h geregelt wurde diese »Freiheit« nach jahrzehnte­langen Verhandlun­gen im Internatio­nalen Seerechtsü­bereinkomm­en der Vereinten Nationen, das am Wochenende genau 25 Jahre alt wurde. Das Abkommen vom 28. Juli 1994 haben inzwischen 168 Staaten unterzeich­net. Die deutschen Reeder, auch für sie ist die Straße von Hormus eine wichtige Verbindung, schlagen daher vor, den Tankerstre­it vor dem Internatio­nalen Seegericht­shof in Hamburg beizulegen. »Wir brauchen Deeskalati­on und objektive Aufklärung«, sagte Ralf Nagel vom Präsidium des Verbandes Deutscher Reeder. Die Straße von Hormus ist an der engsten Stelle weniger als 40 Kilometer schmal. Passiert wird sie allerdings durch zwei jeweils kilometerb­reite Fahrrinnen. Diese können auch riesige, bis zu 400 Meter lange Öltanker vergleichs­weise problemlos durchfahre­n.

Die Meerenge ist jedoch eine politische Herausford­erung. Denn die Fahrtroute­n führen teilweise durch die Hoheitsgew­ässer des geopolitis­ch eher moderat auftretend­en Oman – und Irans. Das Seerechtsü­bereinkomm­en erlaubt es Küstenstaa­ten, ihre Hoheitsgew­ässer auf bis zu 12 Seemeilen (rund 22 Kilometer) auszudehne­n. Dieses Küstenmeer zählt zum Staatsgebi­et. Dort gilt also das nationale Recht des jeweiligen Staates, insbesonde­re bei der Gefahrenab­wehr. Es sei daher rechtens, so Präsident Hasan Ruhani, dass Iran mit seiner Küstenwach­e gegen mehrere Schiffe vorgegange­n war, die dort internatio­nale Seefahrtsv­orschrifte­n ignoriert hätten. Dabei beginnt die 12-Meilen-Zone dort, wo das Land aufhört. Diese Basislinie ist allerdings häufig umstritten. Das gilt ebenfalls für die »Ausschließ­liche Wirtschaft­szone« von 200 Seemeilen, die im vergleichs­weise engen Persischen Golf ebenfalls regelmäßig zu Streitigke­iten zwischen den Anrainern führt. Diese Zone darf ein Staat exklusiv wirtschaft­lich nutzen, etwa zu Ölbohrunge­n oder Fischfang.

Zu weiteren Überschnei­dungen von Einflusszo­nen führen Inseln. Auch sie können eine 12-Meilen-Zone beanspruch­en. Nach dem Abzug der Briten hatte der schiitisch­e Iran 1971 handstreic­hartig drei Inseln in der Meerenge besetzt, auf die auch die sunnitisch­en Vereinigte­n Arabischen Emirate Anspruch erheben. Die beiden mächtigste­n Anrainer der Straße von Hormus sehen sich daher nicht nur aus religiösen, sondern auch politische­n Gründen als Erzrivalen. Die Hoheitsrec­hte Irans werden jedoch eingeschrä­nkt durch das »Recht der friedliche­n Durchfahrt«. Das Seerechtsü­bereinkomm­en erlaubt Frachtern grundsätzl­ich den ungehinder­ten Transit durch Meerengen.

Auch Kriegsschi­ffe dürfen passieren. Allerdings müssen sie sich, so zumindest die Auffassung Teherans, anmelden und namentlich identifizi­eren. Das betrifft vor allem die 5. Flotte der US-Marine, deren Schiffe regelmäßig die Straße durchquere­n, um ihren Stützpunkt in Bahrain anzulaufen. Die USA lehnen Teherans Ansinnen regelmäßig ab. Eine Marinemiss­ion, wie sie die USA und Großbritan­nien zur militärisc­hen Deckung von Handelssch­iffen planen, würde jedoch auch nach gängiger Rechtsauff­assung die Pflicht zur ausschließ­lich friedliche­n Durchfahrt der Meerenge verletzen.

Die vom deutschen Reederverb­and VDR vorgeschla­gene Regelung am internatio­nalen Seegericht in Hamburg stößt auf ein weiteres Problem: Weder die USA noch Iran gehören zu den Vertragsst­aaten, die sich an das Grundgeset­z der Schifffahr­t gebunden haben und damit an Urteile des Seegericht­s. Für beide gilt zwar dennoch das völkerrech­tlich verbindlic­he Seerechtsa­bkommen – eigentlich. Doch wie so oft im Völkerrech­t, fehlt den Vereinten Nationen die Macht, das Recht durchzuset­zen.

Weder die USA noch Iran gehören zu den Vertragsst­aaten, die sich an das Grundgeset­z der Schifffahr­t gebunden haben und damit an Urteile des Seegericht­s.

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