Söder löst das Umwelt-Ticket
Klimaschutz ist das politische Thema der Stunde, da will auch die CSU nicht abseits stehen
Seitdem mit Umwelt- und Klimaschutz Erfolge an der Wahlurne zu holen sind, sind diese Themen auch für Parteien attraktiv geworden, die bisher alles andere als öko waren. Beispiel CSU.
Die CSU als politischer Arm der Autound Agrarindustrie, als Gegner von Windrädern, als Bremser, wenn es um Umweltschutzfragen ging, so kannte man die Bayern bisher. Grün spielte im Farbspektrum der Weiß-Blauen wahrlich keine große Rolle, höchstens noch als Feindbild. Bis jetzt. Zumindest rhetorisch nämlich scheint der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ein Umwelt-Ticket gelöst zu haben – unter anderem sprach er sich nun für eine geringere Mehrwertsteuer auf Bahntickets aus. Ebenso für die Aufnahme des Klimaschutzes ins Grundgesetz. Vor Kurzem hatte er auch schon einen früheren Kohleausstieg gefordert. »Wir stehen vor einer Jahrhundertaufgabe, daher brauchen wir auch einen Jahrhundertvertrag«, erklärte er nun gegenüber der »Süddeutschen Zeitung«. Bund, Länder und Kommunen müssten klären, was sie zum Erreichen der Klimaziele beitragen könnten. Und das Thema sei zu wichtig, um daraus parteipolitisch Kapital zu schlagen: »Früher sollte es keine Rentenwahlkämpfe geben, jetzt sollte es keine Klimawahlkämpfe geben.«
Vor allem mit Letzterem lässt sich wohl am besten der angebliche Sinnenswandel – nicht nur des Markus Söder – erklären. Seit die »Fridays for Future«-Bewegung für Furore sorgt und sich die Grünen im Höhenflug befinden, erscheint es vielen offensichtlich opportun, sich einen Ökoanstrich zu verpassen. Und sei es wie im Fall Söder mit alten Grünen-Ideen. Klimaschutz ins Grundgesetz? Dieses Vorhaben scheiterte im vergangenen Jahr auch am Widerstand der CSU.
Dennoch zeigt sich Grünen-Chef Robert Habeck erfreut über die Forderungen von Markus Söder. »Wenn Klima-Argumente gehört werden, ist das eine erfreuliche Entwicklung. Markus Söder ist herzlich eingeladen, sich uns anzuschließen«, so Habeck. Wenn Söder es ernst meine, heiße das aber auch »Butter bei die Fische, auf allen Ebenen«. So solle der bayerische Ministerpräsident im Bundesrat der Thüringer Initiative zustimmen, Klimaschutz ins Grundgesetz zu schreiben. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) twitterte, er sei von Söders Vorstoß »positiv überrascht«. Landes-Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) erklärte, bisher sei es Bayern, das die entsprechende Initiative im Bundesrat blockiere. »Dass Ministerpräsident Söder meint, Bayern könne jetzt Lokomotive beim Klimaschutz werden, ist interessant.«
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin-Göring Eckardt, forderte Söder auf, Worten Taten folgen zu lassen. Sie werde CSULandesgruppenchef Alexander Dobrindt dazu einladen, den Antrag der Grünen noch einmal gemeinsam ins Parlament einzubringen, erklärte sie der »Neuen Osnabrücker Zeitung«.
Auch der Koalitionspartner SPD ist offen für eine Grundgesetzänderung. »Natürlich kann man den Klimaschutz auch im Grundgesetz stärken, aber das darf nicht zur Ersatzhandlung für wirksame Maßnahmen werden«, sagte Umweltministerin Svenja Schulze der »Rheinischen Post«. »Nichts hindert uns daran, jetzt die nötigen Gesetze und Maßnahmen zu beschließen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen, schon gar nicht unser Grundgesetz.«
Für Lorenz Gösta Beutin, klima- und energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, sind Söders Einlassungen »inhaltsleere Symbolpolitik«. Zwar sei eine Verankerung von Klimaschutz als Staatsziel im Grundgesetz sinnvoll, Söder blockiere aber zugleich Maßnahmen wie den Ausbau der Windkraft in Bayern oder ein Tempolimit auf Autobahnen.
Zu einer möglichen Mehrwertsteuersenkung auf Bahntickets kündigte Bahnchef Richard Lutz an, dass die Kunden davon profitieren würden. »Wir würden diesen Vorteil an unsere Fahrgäste weitergeben«, so Lutz. »Unsere Kunden würden von einer niedrigeren Mehrwertsteuer erheblich profitieren – sei es in Form neuer attraktiver Angebote oder reduzierter Ticketpreise.« Auch eine Kombination aus beidem sei denkbar.
Um die Bahn attraktiver zu machen, forderte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer in der »Welt« auch ein Ende aller Subventionen für den Flugverkehr. »Es ist doch absurd, dass klimaschädliches Fliegen günstiger ist als klimaschonendes Bahnfahren. Das liegt zum Beispiel daran, dass weder Energiesteuer auf Kerosin noch Umsatzsteuer auf internationale Flüge erhoben wird.« Auch würden defizitäre Regionalflughäfen subventioniert.