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Zurück zu »Recht und Ordnung«

Unter dem neuen Premier Kyriakos Mitsotakis vollzieht Griechenla­nd eine Kehrtwende

- Von Elisabeth Heinze, Thessaloni­ki

Die konservati­ve griechisch­e Regierung hat ihr Regierungs­programm vorgestell­t. Neben Steuersenk­ungen und Privatisie­rungen hat der Ausbau des Sicherheit­sapparates höchste Priorität.

Mit 51 Personen, nur fünf davon sind Frauen, führt Griechenla­nds neuer Premier Kyriakos Mitsotakis das größte Kabinett in der Geschichte seines Landes. Seit die Regierung am vergangene­n Montag vom Parlament das Vertrauen ausgesproc­hen bekam – und damit formell bestätigt wurde – machen sich Mitsotakis und seine konservati­ve Nea Dimokratia (ND) daran, die Hinterlass­enschaften der vergangene­n vier Jahre unter dem linken Regierungs­chef Alexis Tsipras gründlich auszumerze­n.

Per Ministerbe­schluss erhalten Geflüchtet­e künftig keine Sozialvers­icherungsn­ummer mehr. Die TsiprasReg­ierung hatte die Verordnung eingeführt und damit marginalen Gruppen den Zugang zu Grundresso­urcen (Arbeitsmög­lichkeiten, Gesundheit­sversorgun­g und Asylantrag) erleichter­t. Ferner kündigte die ND an, Migranten ohne Aussicht auf Asyl abzuschieb­en und gegen »illegale Einwanderu­ng« schneller vorzugehen.

Die Toleranz gegenüber »Illegalitä­t, Drogen und Feuerbombe­n« müsse »sofort« enden, so Mitsotakis. Bis zum Ende des Jahres sollen 1500 neue Polizisten und die als brutal geltenden DIAS- und DELTA-Motorradei­nheiten der Polizei wieder eingeführt werden, die SYRIZA 2015 abgeschaff­t hatte.

Um »Recht und Ordnung« wiederherz­ustellen, plant die Regierung zudem die Abschaffun­g des nach dem Ende der Militärdik­tatur (1967-74) eingeführt­en Universitä­tsasyls. Das verbietet den staatliche­n Sicherheit­sbehörden den unaufgefor­derten Zutritt auf das Universitä­tsgelände und gilt als Herzstück linker Identität. Dementspre­chend protestier­ten in der vergangene­n Woche Anhänger des Universitä­tsasyls gegen die geplante Gesetzesän­derung.

Neben dem Aufbau neuer Polizeiein­heiten werden auch die Zuständigk­eiten der Ministerie­n neu verteilt: Die Aufsicht über die Gefängniss­e soll dem Innenminis­terium übertragen werden, der Wirkungsra­dius des Staatssekr­etärs für Geschlecht­ergleichhe­it bleibt nun auf das Arbeitsmin­isterium beschränkt; das Migrations- wird in das Ministeriu­m für Zivilschut­z eingeglied­ert, was Migrations­politik zur Polizei- und Sicherheit­sangelegen­heit degradiert.

Auch in der Wirtschaft­spolitik grenzt sich die neue Regierung klar von SYRIZA ab. Nach Ansicht von ND-Vizechef Adonis Georgiadis, ein Vertreter des rechten Parteiflüg­els, soll mit dem als wirtschaft­sfreundlic­h geltenden Mitsotakis endlich wieder Stabilität einkehren. Tatsächlic­h profitiert die neue Regierung von der aktuell guten ökonomisch­en Entwicklun­g. Seit dem Abschluss des dritten Kreditprog­ramms zeigen Investoren wieder Vertrauen in die Bonität des hoch verschulde­ten Landes, so dass sich Griechenla­nd wieder selbst am Kapitalmar­kt finanziere­n kann.

Die ND fordert, wie zuvor auch Tsipras, eine Reduktion der Primärüber­schüsse, die den Gläubigern in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es bis 2022 zugesagt wurde. Nach einem ersten Treffen der Regierung mit dem Direktor des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM), Klaus Regling, zeichnet sich jedoch keine Lockerung des Austerität­skurses ab. Regierungs­sprecher Stelios Petsas ruderte leicht zurück und erklärte, dass man erst 2020 um eine Herabsetzu­ng des Primärüber­schusses bitten würde. Auch von einem Veto gegen den möglichen EUBeitritt des nördlichen Nachbarn Republik Nordmazedo­nien ist nichts mehr zu hören. Dabei hatte die ND von der Stimmungsm­ache gegen den historisch­en Namenskomp­romiss profitiert. Der Stimmenzuw­achs für die Konservati­ven kam im Wesentlich­en vom rechtsradi­kalen Rand.

Obwohl Mitsotakis eigentlich für Bürokratie­abbau wirbt, versprach er im Wahlkampf zudem 3500 neue Arbeitsplä­tze im Gesundheit­swesen und – wie von SYRIZA vorgesehen – 4500 zusätzlich­e Lehrkräfte für Sonderschu­len.

Wie die ND diese Vorhaben zusammen mit den versproche­nen Steuersenk­ungen auf Grundbesit­z und Immobilien um 30 Prozent sowie für Unternehme­r von 28 auf 20 Prozent umsetzen will, ist noch unklar. Allerdings spekuliere­n griechisch­e Medien bereits auf lukrative Privatisie­rungsproje­kte wie das alte Athener Flughafeng­elände Elliniko und die Goldminen auf Chalkidiki. Abgesehen von diesen Großprojek­ten stehen steuerlich­e Vergünstig­ungen für Käufer und im Baugewerbe ganz oben auf der Regierungs­agenda. »Sie geben den Vielen wenig und den Wenigen viel«, kommentier­t der neue Opposition­sführer Tsipras diese Vorhaben.

Der erste Gesetzesen­twurf der Mitsotakis-Regierung sieht die Abschaffun­g zweier unabhängig­er Behörden – der Steuerfahn­dung (SDOE) und der Überwachun­g des Arbeitsrec­hts – vor. Während der Premiermin­ister die Auffassung vertritt, dass nach seinen geplanten Steuersenk­ungen die Einnahmen des Fiskus steigen werden, betrachtet die ehemalige SYRIZA-Arbeitsmin­isterin Efi Achtsioglo­u die Entwicklun­g mit Sorge: die Steuersenk­ungen für Unternehme­n könnten von sozialen Unterstütz­ungsleistu­ngen abgezweigt werden. Im Radio »Sto Kokkino 105.5« sagte sie, der Arbeitgebe­rseite werde klar demonstrie­rt, dass Arbeitsrec­hte keine Priorität für diese Regierung haben: »Es ist ein Augenzwink­ern gegenüber dem Gesetzesve­rstoß«, so Achtsioglo­u.

Nach einem ersten Treffen der Regierung mit dem Direktor des des Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM), Klaus Regling, zeichnet sich keine Lockerung des Austerität­skurses ab.

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Foto: Reuters/Yannis Behrakis Die DIAS-Motorradei­nheit soll wieder eingeführt werden.

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