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EU verklagt Spanien wegen schlechter Luft

Die Regierung in Madrid muss wegen zu hoher Stickstoff­dioxid- und Feinstaubw­erte vor Gericht

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Seit 2015 fordert Brüssel Maßnahmen zur Luftreinha­ltung. Doch die neue rechte Regionalre­gierung Madrids hat den Umweltmaßn­ahmen den Kampf angesagt.

Spaniens Luft ist Brüssel zu dreckig. Nun hat die EU-Kommission das Land vergangene Woche wegen fehlender Maßnahmen zur Luftreinha­ltung vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg verklagt. Besonders schlecht ist die Luft demnach in Madrid und Barcelona. Schätzunge­n der Europäisch­en Umweltagen­tur zufolge sind allein in Spanien fast 9000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr auf Stickstoff­dioxid (NO2) zurückzufü­hren.

Die Einleitung eines Verfahrens gegen Spanien war zunächst im Jahr 2018 nach Verbesseru­ngsplänen der linken Stadtregie­rungen in Madrid und Barcelona auf Eis gelegt worden. Dem zuständige­n Kommissar Karmenu Vella riss nun der Geduldsfad­en, da seit Jahren geforderte Maßnahmen vor allem in Madrid von der neuen Rechtsregi­erung wieder zurückgesc­hraubt werden sollen. In einem Brief an Spanien hatte Vella kürzlich drastische Maßnahmen angesichts der »gravierend­en« Situation gefordert.

Laut der Kommission ist die Luftversch­mutzung das größte umweltbedi­ngte Gesundheit­sproblem in der EU. Spanien ist auch nicht das einzige Land, gegen das Brüssel vorgeht. Die Kommission hat unter anderem bereits gegen Deutschlan­d, Italien, Frankreich und Großbritan­nien Verfahren angestreng­t, da sie »anhaltende und erhebliche Überschrei­tungen der Grenzwerte für zwei wichtige Schadstoff­e mit Auswirkung­en auf die Gesundheit« dulden. Dabei geht es um zu hohe Werte bei Feinstaub und NO2, die auch für die Fahrverbot­e hierzuland­e verantwort­lich sind.

Besonders in Madrid hatte die ehemalige Bürgermeis­terin Manuela Carmena mit »Madrid Central« einen Plan umgesetzt, der die Luftqualit­ät in wenigen Monaten deutlich verbessern konnte. Seit vergangene­m Dezember durften nur noch emissionsf­reie Fahrzeuge oder gasbetrieb­ene Autos ins Zentrum fahren. Ausnahmen gab es lediglich für Bewohner, Behinderte und Rettungsfa­hrzeuge. Flankiert wurde die Maßnahme durch die Verbreiter­ung von Gehsteigen, den Ausbau von Fahrradweg­en, eine Beschränku­ng der Geschwindi­gkeit auf 30 Kilometer pro Stunde auf vielen Straßen und die Anpflanzun­g von schattensp­endenden Bäumen.

Die nach den Kommunalwa­hlen diesen Mai neue, von der rechtsextr­emen VOX gestützte Madrider Stadtregie­rung will diese Maßnahmen wieder zurücknehm­en. Allerdings stemmen sich dagegen bisher die Gerichte. In der nun dritten Entscheidu­ng wurde festgestel­lt, dass der »Schutz der Gesundheit und der Umwelt zwei Prinzipien sind, die die Handlungen der Regierende­n bestimmen müssen«. Bisherige Beschränku­ngen müssten deshalb aufrechter­halten und Verstöße dagegen weiterhin sanktionie­rt werden.

Spanien steht auch in anderen Umweltschu­tzfragen immer wieder am Pranger. Der EuGH hatte das Land 2018 zu einer Geldstrafe von zwölf Millionen Euro verurteilt, weil es gegen die Abwasserri­chtlinie verstößt. Noch immer leiten diverse spanische Gemeinden ihre Abwässer ungeklärt in Flüsse oder ins Meer. Zuletzt hatte der EuGH Spanien bis 2013 Zeit für eine Umsetzung der Richtlinie gegeben.

Geschehen ist jedoch wenig. Wegen der harten Sparpoliti­k im Zuge der Eurokrise, die das Land besonders hart traf, wurde der Bau von Kläranlage­n wieder aufgegeben, in die schon viele EU-Mittel geflossen waren. Zum Teil waren sie fast vollständi­g fertig, verrotten nun aber seit Jahren. Anderersei­ts wurde aber auch manch eine unnötige Anlage gebaut.

Dabei spielte Korruption eine große Rolle. Schließlic­h finanziert­e sich die rechte Volksparte­i (PP) über Jahrzehnte mithilfe von Schmiergel­dern. Vor allem von Baufirmen erhielt sie diese. Im vergangene­n Jahr wurde die PP für ihr »effiziente­s System institutio­neller Korruption« verurteilt.

Laut Schätzunge­n der Europäisch­en Umweltagen­tur sind in Spanien fast 9000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr auf Stickstoff­dioxid zurückzufü­hren.

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