nd.DerTag

Ja zur Klassenher­rschaft

Felix Jaitner über rechte Liberalism­us-Schelte à la Orbán und Co.

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»Demokratie ja, Liberalism­us nein«, mit dieser Aussage ist es dem ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán einmal mehr gelungen, den Zorn der bürgerlich­en Presse auf sich zu ziehen. Er stelle sich gegen den »liberalen Zeitgeist und gegen den liberalen Internatio­nalismus«, tönte Orban bei seiner alljährlic­hen Rede im rumänische­n Kurstädtch­en Băile Tusnad, das im Siedlungsg­ebiet ethnischer Ungarn liegt. Ganz ähnliche Worte hatte vor wenigen Wochen der russische Präsident Wladimir Putin in einem Interview für die »Financial Times« gebraucht als er sagte, die liberale Idee habe sich »überlebt«.

Diese Aussagen machen eines deutlich: Zum ersten Mal seit dem Ende des Staatssozi­alismus wird die Hegemonie des politische­n Liberalism­us in Europa wieder herausgefo­rdert, allerdings nicht von links, sondern von der nationalko­nservative­n Rechten. Doch der von ihnen beschworen­e Bruch mit dem Liberalism­us ist keineswegs so umfassend, wie sie selber behaupten. Denn während die Rechten gegen den Multikultu­ralismus wettern und eine Rückkehr zu Tradition und Religion predigen, vertreten sie wirtschaft­spolitisch überwiegen­d neoliberal­e Positionen und verschärfe­n die sozialen Widersprüc­he im Land durch den Abbau von Arbeitnehm­errechten, Steuernach­lässen für hohe Einkommen und Firmen. Diesen Widerspruc­h müsste die Linke deutlich machen, denn das liberale Lager dürfte ihn kaum zur Sprache bringen.

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