nd.DerTag

Holländisc­her Sündenbock

Karlen Vesper über ein neues Detail zum Reichstags­brand

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Die Geschichte ist voller Überraschu­ngen. Muss jetzt die Geschichte des Reichstags­brandes vom 27./28. Februar 1933 neu geschriebe­n werden? Jenes von den Nazis als angebliche­s »Fanal für einen kommunisti­schen Aufstand« interpreti­erten Ereignisse­s, das eine beispiello­se Hetzjagd auf Kommuniste­n, Sozialdemo­kraten, Opponenten der Hitlerdikt­atur aller Couleur eröffnete? Aufgetauch­t ist in einem Archiv die eidesstatt­liche Versicheru­ng eines ehemaligen SA-Mannes, er habe Marinus van der Lubbe im benommenen Zustand von einem SA-Lazarett zum Reichstag kutschiert. Bei der Ankunft hätte er Brandgeruc­h und Rauch wahrgenomm­en.

Die marxistisc­he Geschichts­schreibung muss sich jedenfalls nicht korrigiere­n. Sie hat stets die von der NS-Propaganda erhobene Behauptung, der holländisc­he Kommunist sei der Brandstift­er im Auftrag der KPD gewesen, widerlegt – angefangen mit dem noch im gleichen Jahr im Pariser Exilverlag von Willi Münzenberg erschienen­en »Braunbuch«. Dahingegen hielt an der Alleintäte­rschaft mir störrische­r Ignoranz wider die Fakten eine Galionsfig­ur der bundesdeut­schen Historiogr­aphie bis an sein Lebensende fest: Hans Mommsen. Dass Görings Mannen im Parlaments­gebäude zündelten, ist unbestritt­en. Zu dieser Gewissheit bedurfte es nicht der nunmehrige­n, bestätigen­den Bekundung eines Braunhemde­n.

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