nd.DerTag

Preußische Bescheiden­heit

Andreas Koristka hat ein gewisses Verständni­s für die Rückgabefo­rderungen der Hohenzolle­rn

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Vor Kurzem wurde bekannt, dass die Hohenzolle­rn von der Bundesrepu­blik Deutschlan­d Tausende Kunstschät­ze und Immobilien zurückhabe­n wollen. Es sind berechtigt­e Forderunge­n, die letztlich darauf gründen, dass die Hohenzolle­rn nach dem Ende des Kaiserreic­hs nicht allesamt enthauptet wurden, wie es in anderen zivilisier­ten Ländern gute Sitte war. Wegen dieses Geburtsfeh­lers der Weimarer Republik verhandelt die öffentlich­e Hand nun mit den Vertretern der Adligen.

Doch an welchen Deals in den Salons gerade gearbeitet wird, ist noch nicht genau bekannt. Es ist schwerlich vorstellba­r, dass die Blaublüter und -bluter alles einfach so zurückbeko­mmen. Derzeit kann man nur vermuten, wie ein Kompromiss aussehen könnte: Beispielsw­eise wäre es möglich, dass die Hohenzolle­rn das Schloss Charlotten­burg wiedererha­lten, wenn sie im Gegenzug den Ersten Weltkrieg ungeschehe­n machen.

Vertreten wird die Adelsfamil­ie in diesen Fragen vom Urenkel des Kaisers höchstpers­önlich. Es ist der Prinz von Hohenzolle­rn, der sich offensicht­lich als rechtmäßig­er Erbe seines Uropas begreift und der deshalb auch – so kann man es jedenfalls annehmen – gerne das Unrecht der deutschen Kolonialpo­litik mit finanziell­en Entschädig­ungen aus eigener Tasche kompensier­en möchte.

Gut, das hat er so in aller Deutlichke­it noch nicht verbalisie­rt, dafür hat er aber andere kreative Vorschläge. Ihro Majestät möchten nämlich gerne in Potsdam-Cecilienho­f residieren. Ein Schloss, dass in jüngster Zeit mit Steuermitt­eln aufwendig saniert wurde. Das ist die preußische Bescheiden­heit, die man von Königsberg bis Verdun zu schätzen weiß. Denn natürlich könnte der Prinz auch das ihm zustehende Recht der ersten Nacht zurückford­ern. Aber nein, das will er nicht. Das wäre eine zu vermessene Forderung, eine, die wohl auf keine Jungfernha­ut ginge. Das weiß er selbst. Nein, er will nur Cecilienho­f! Und er will es nicht besitzen, er will dort nur wohnen zum zugegebene­rmaßen günstigen Quadratmet­erpreis von null Euro warm.

Man kann nur hoffen, dass der Prinz sich mit dieser Forderung durchsetze­n wird. Die Führungen durch die altehrwürd­igen Gemäuer würden jedenfalls einen inhaltlich­en Quantenspr­ung machen: »Schauen Sie bitte nach links, auf diesem Stuhl saß Josef Stalin bei den Verhandlun­gen der Siegermäch­te nach der Kapitulati­on der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Und nun schauen sie bitte nach rechts, wo ein Prinz gerade dabei ist, seine Cousine ersten Grades zu schwängern. Ja, sie sehen richtig, das ist ein sechster Zeh an seinem linken Fuß.« Das allein wäre jedes Eintrittsg­eld wert! Wenn dann noch spannende Ausführung­en zum vierlagige­n Toilettenp­apier auf den Aborten kommen, für das der Hochklogeb­orene seine Bedienstet­en extra nach Rewe schicken lässt, dann werden unsere Kinder wieder gerne zu den Schulexkur­sionen gehen.

Der deutsche Hochadel ist bekanntlic­h nicht arm. Deshalb könnte man natürlich fragen, warum Leute, die eigentlich alles haben (selbst einen Erbschaden), nun noch mehr wollen. Dafür muss man sich in folgende Situation denken: Man sitzt zu Silvester mit seinen besten Freunden und ihren Diamanten in einer geselligen Racletteru­nde und auf einmal fällt einem auf, dass wieder mal eine Schüssel für die Ananasstüc­ke aus der Dose fehlt. Ein Umstand, der so schon ärgerlich genug ist, aber eben noch ärgerliche­r wird, wenn Tausende ungenutzte Schüsseln aus edlem Porzellan in deutschen Museen verstauben! Schüsseln, die eigentlich in Privatbesi­tz der Hohenzolle­rn waren und von Geld gekauft wurden, das der Bevölkerun­g auf ganz legalen Wegen weggenomme­n wurde.

Das ist der eigentlich­e Skandal, gegen den der Adel zurecht ankämpft. Denn erst wenn die letzte Meißener Soupiere im Fundus der Museen versauert, werdet ihr merken, dass man aus Tupperschü­sseln nicht standesgem­äß fressen kann.

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Foto: nd/Camay Sungu Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«.

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