Lubbe entlastet
Historiker
streiten seit Langem darüber, wer tatsächlich den Reichstagsbrand von 1933 legte, der den Nazis zum Griff nach der absoluten Macht verhalf. Eine neu aufgetauchte eidesstattliche Versicherung eines damaligen Mitglieds der Sturmabteilung (SA) der NSDAP deutet nun auf eine Beteiligung der Nationalsozialisten hin – und entlastet den für den Brand zum Tode verurteilten niederländischen Kommunisten Marinus van der Lubbe. Dem Dokument zufolge sagte der ehemalige SA-Mann, er habe van der Lubbe, der einen benommenen Eindruck machte, mit einem Auto von einem SA-Lazarett zum Reichstag gefahren. Bei der Ankunft dort sei ihm und seinen Kollegen aufgefallen, »dass ein eigenartiger Brandgeruch herrschte und dass auch schwache Rauchschwaden durch die Zimmer hindurchzogen«. Später, so erklärt der SA-Mann in seiner Versicherung, deren beglaubigte Abschrift der Deutschen Presseagentur (dpa) vorliegt, hätten er und seine Kameraden gegen die Verhaftung van der Lubbes protestiert. »Weil nach unserer Überzeugung van der Lubbe unmöglich der Brandstifter gewesen sein konnte, da ja nach unseren Feststellungen der Reichstag schon in Brand gesetzt sein musste, als wir van der Lubbe dort ablieferten.«
Wegen ihres Protestes seien seine Kameraden und er in Schutzhaft genommen worden »und mussten einen Revers unterschreiben mit dem Inhalt, dass wir von nichts etwas wissen«. Später seien fast alle erschossen worden, die zum engeren Kreis der am Reichstagsbrand beteiligten Personen gehörten. Er selber, so der SA-Mann in seiner Erklärung, sei gewarnt worden und in die Tschechoslowakei geflüchtet.
Die eidesstattliche Erklärung stammt von Hans-Martin Lennings (1904-1962), der sie 1955 notariell abfassen ließ für den Fall einer damals diskutierten posthumen Wiederaufnahme des Prozesses gegen van der Lubbe. Das Amtsgericht Hannover bestätigte der dpa am Freitag die Authentizität des Dokuments.