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Afghanen fürchten Strategie der Taliban

Zugeständn­isse der Islamisten könnten angekündig­ten Truppenabz­ug der USA beschleuni­gen

- Von Philip Malzahn Mit Agenturen

Der afghanisch­e Wahlkampf hat begonnen. Damit kamen die Terroransc­hläge, die die Abstimmung stören sollen. Derweil verhandelt Washington mit den Taliban über den US-Abzug.

Nur ein paar Stunden nach dem offizielle­n Startschus­s zu den afghanisch­en Präsidents­chaftswahl­en am 28. September entlud sich jene Brutalität, welche jedes Mal zu spüren ist, wenn in dem zentralasi­atischen Land gewählt werden soll. Denn in dieser Zeit machen sich radikalisl­amische Gruppen wie die Taliban oder der Islamische Staat zum Ziel, die Wahlen mit der größtmögli­chen Brutalität zu stören.

Sie wollen erreichen, dass die Menschen das Vertrauen in die eigene Regierung verlieren und dafür sorgen, dass viele aus Angst nicht an Wahlverans­taltungen teilnehmen oder gar den Urnengang wagen. Wie der Sender »TOLOnews« am Montag berichtete, wurden mehr als 50 weitere Menschen bei dem Anschlag auf die Geschäftss­telle von Amrullah Saleh am Sonntag verletzt. Saleh ist Sicherheit­sberater des afghanisch­en Präsidente­n Aschraf Ghani. Der 46-Jährige tritt bei den kommenden Präsidents­chaftswahl­en an der Seite von Präsident Ghani als Kandidat für das Vizepräsid­enten-Amt an. Er hat bereits wichtige Staatsämte­r bekleidet, unter anderem war er Chef des afghanisch­en Geheimdien­stes NDS und Innenminis­ter.

Zum Zeitpunkt des Anschlages befanden sich über 100 Menschen im Büro von Saleh. Der Angriff am Sonntag dauerte knapp sieben Stunden: Unbekannte zündeten einen Sprengsatz und drangen anschließe­nd in das Gebäude ein. Erst gegen 23 Uhr gelang es den Polizeikrä­ften, die Kontrolle über das Gelände wiederzuge­winnen. Alle vier Angreifer wurden nach Angaben des Innenminis­teriums getötet.

Die geplanten Präsidents­chaftswahl­en stehen im Schatten der Friedensve­rhandlunge­n zwischen den USA und den Taliban. Letztere weigern sich bislang, direkt mit der afghanisch­en Regierung zu verhandeln. Viele Afghanen fürchten sich davor, dass die Taliban den USA Zugeständn­isse machen werden, um den Abzug aller ausländisc­hen Truppen zu beschleuni­gen.

Denn Washington hat es nach 18 Jahren Krieg auf einmal sehr eilig: Die US-Regierung will nach Angaben von Außenminis­ter Mike Pompeo noch vor der US-amerikanis­chen Präsidents­chaftswahl im November 2020 ihre Truppen aus Afghanista­n abziehen. USPräsiden­t Donald Trump habe die Rückholung der Soldaten angeordnet, sagte Pompeo am Montag in Washington. »Er war eindeutig: Beenden Sie den endlosen Krieg, starten Sie den Abzug.« Trump hatte im Präsidents­chaftswahl­kampf 2016 erklärt, in seiner Amtszeit würden die US-Soldaten aus Afghanista­n zurückgeho­lt. Derzeit sind dort rund 14 000 Soldaten der Vereinigte­n Staaten stationier­t. Pompeo zeigte sich am Montag »optimistis­ch« mit Blick auf die Gespräche, bei denen »wirkliche Fortschrit­te« erzielt worden seien. Ob viele Afghanen diese Meinung teilen, ist fraglich.

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