Afghanen fürchten Strategie der Taliban
Zugeständnisse der Islamisten könnten angekündigten Truppenabzug der USA beschleunigen
Der afghanische Wahlkampf hat begonnen. Damit kamen die Terroranschläge, die die Abstimmung stören sollen. Derweil verhandelt Washington mit den Taliban über den US-Abzug.
Nur ein paar Stunden nach dem offiziellen Startschuss zu den afghanischen Präsidentschaftswahlen am 28. September entlud sich jene Brutalität, welche jedes Mal zu spüren ist, wenn in dem zentralasiatischen Land gewählt werden soll. Denn in dieser Zeit machen sich radikalislamische Gruppen wie die Taliban oder der Islamische Staat zum Ziel, die Wahlen mit der größtmöglichen Brutalität zu stören.
Sie wollen erreichen, dass die Menschen das Vertrauen in die eigene Regierung verlieren und dafür sorgen, dass viele aus Angst nicht an Wahlveranstaltungen teilnehmen oder gar den Urnengang wagen. Wie der Sender »TOLOnews« am Montag berichtete, wurden mehr als 50 weitere Menschen bei dem Anschlag auf die Geschäftsstelle von Amrullah Saleh am Sonntag verletzt. Saleh ist Sicherheitsberater des afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani. Der 46-Jährige tritt bei den kommenden Präsidentschaftswahlen an der Seite von Präsident Ghani als Kandidat für das Vizepräsidenten-Amt an. Er hat bereits wichtige Staatsämter bekleidet, unter anderem war er Chef des afghanischen Geheimdienstes NDS und Innenminister.
Zum Zeitpunkt des Anschlages befanden sich über 100 Menschen im Büro von Saleh. Der Angriff am Sonntag dauerte knapp sieben Stunden: Unbekannte zündeten einen Sprengsatz und drangen anschließend in das Gebäude ein. Erst gegen 23 Uhr gelang es den Polizeikräften, die Kontrolle über das Gelände wiederzugewinnen. Alle vier Angreifer wurden nach Angaben des Innenministeriums getötet.
Die geplanten Präsidentschaftswahlen stehen im Schatten der Friedensverhandlungen zwischen den USA und den Taliban. Letztere weigern sich bislang, direkt mit der afghanischen Regierung zu verhandeln. Viele Afghanen fürchten sich davor, dass die Taliban den USA Zugeständnisse machen werden, um den Abzug aller ausländischen Truppen zu beschleunigen.
Denn Washington hat es nach 18 Jahren Krieg auf einmal sehr eilig: Die US-Regierung will nach Angaben von Außenminister Mike Pompeo noch vor der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl im November 2020 ihre Truppen aus Afghanistan abziehen. USPräsident Donald Trump habe die Rückholung der Soldaten angeordnet, sagte Pompeo am Montag in Washington. »Er war eindeutig: Beenden Sie den endlosen Krieg, starten Sie den Abzug.« Trump hatte im Präsidentschaftswahlkampf 2016 erklärt, in seiner Amtszeit würden die US-Soldaten aus Afghanistan zurückgeholt. Derzeit sind dort rund 14 000 Soldaten der Vereinigten Staaten stationiert. Pompeo zeigte sich am Montag »optimistisch« mit Blick auf die Gespräche, bei denen »wirkliche Fortschritte« erzielt worden seien. Ob viele Afghanen diese Meinung teilen, ist fraglich.