Weiße Flecken bei den Roten
In Sachsen ist die LINKE außerhalb der Städte schwach. Die Wahlniederlage wirft nun schwerwiegende Fragen auf.
Plakate abnehmen nach einer Wahl – das ist so unangenehm wie das Aufräumen nach einer Party. War die Fete gelungen, wirkt das immerhin beflügelnd bei der Beseitigung von leeren Flaschen und Kippen. Bleibt von der Feier aber nur der schwere Kopf, ist das Zusammenfegen der Scherben doppelt lästig.
Silvio Lang und seine Genossen haben einen dicken Kater. Die LINKE in Sachsen ist bei der Landtagswahl von 18,9 auf 10,4 Prozent abgestürzt. Vor allem außerhalb der Großstädte ist das Bild ernüchternd. In Langs Wahlkreis Bautzen 3, der sich vom Dresdner Stadtrand bis fast nach Hoyerswerda erstreckt, hat die Partei 2892 Stimmen erhalten: 7,8 Prozent. Dem Direktkandidat gaben immerhin 3134 Wähler ih
re Stimme: 8,5 Prozent. Der siegreiche AfDMann erhielt fast viermal so viele.
Zeit zum Wundenlecken bleibt nicht. Bis Sonntag hat Lang Zeit, um 600 Plakate von Laternen zu entfernen. Hilfe gibt es kaum, wie schon im Wahlkampf. »Ich konnte auf keine Parteistrukturen zurückgreifen«, sagt der 36-Jährige LINKE-Landesvize. Im gesamten Landkreis Bautzen, der gut 300 000 Einwohnern hat und fünf Wahlkreise umfasst, leben knapp 500 Genossen, viele von ihnen hoch betagt. Ortsverbände gibt es im Kreis Bautzen 3 nicht mehr. Eine Handvoll Genossen half beim Plakatieren; Infostände waren allein sein Job. In der Provinz betreibe man »Wahlkampf ohne Unterbau«.
Der fehlt nicht nur in Kampagnenzeiten. Die Partei ist auf dem Land kaum noch präsent. Kommunalmandate hat sie noch am ehesten in Klein- und Mittelstädten; in Langs Wahlkreis etwa in Radeberg. In Dörfern aber hat sie oft keine Gesichter und also keine Ansprechpartner. Ohnehin sind Orte wie Wachau, wo Lang an diesem Morgen mit Leiter und Zange unterwegs ist, »kein Terrain, wo es für uns viel zu holen gäbe«: klassischer Dresdner Speckgürtel, adrette Häuser hinter getrimmten Hecken, wenig soziale Not, 172 Wählerstimmen.
Dass die LINKE auf dem platten Land überhaupt noch präsent ist, verdankt sich Büros, die zum guten Teil von Abgeordneten finanziert und von deren Mitarbeitern betreut werden. Lang etwa ist bei der Bundestagsabgeordneten Caren Lay angestellt und arbeitet je zwei Tage pro Woche in Büros in Bautzen und Hoyerswerda. Weitere bestanden in Kamenz und Radeberg; möglich war das, weil es mit Marion Junge und Heiko Kosel auch zwei Landtagsabgeordnete aus der Region gab.
Das ist vorbei; in der nur noch 14-köpfigen Fraktion ist der Landkreis Bautzen nicht vertreten, weil seine Vertreter auf der Landesliste zu weit hinten einsortiert wurden. Regionen wie das Vogtland trifft es noch härter; dort ist auch keiner der sechs sächsischen Bundestagsabgeordneten der LINKEN verankert: »Die sind völlig blank«, sagt Lang. Sein eigener Kreisverband hat Vorsorge für den Ernstfall getroffen und Büros gekündigt. Ob die Landespartei helfen kann, die Verluste zu begrenzen, ist offen; auch dort fehlt wegen sinkender Zuschüsse vom Staat und geringerer Spenden von Abgeordneten nun viel Geld.
Dass die Partei in der Fläche ein Problem hat, weiß man lange. Als die vormalige Landesgeschäftsführerin Antje Feiks Ende 2017 zur Vorsitzenden gewählt wurde, punktete sie bei den Genossen aus der Provinz mit der Ankündigung einer Offensive für den ländlichen Raum. Ein Strategiepapier schlug zum Beispiel »regelmäßiges und dauerhaftes öffentliches Auftreten« linker Politiker vor; dazu thematische Touren, Präsenz bei Sport- und Dorffesten bis hin zu einer »linken Wandergruppe«. Zwei Jahre später räumte Feiks ein, trotz eines Budgets von 100 000 Euro sei von der Offensive »nur wenig« zu sehen gewesen. Woran das lag, ist strittig. Manche ver