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Conte gewinnt erste Abstimmung

Italiens neue Regierung erhält Vertrauen im Abgeordnet­enhaus

- Von Aert van Riel

Rom. Das Abgeordnet­enhaus hat der neuen italienisc­hen Regierung unter Ministerpr­äsident Giuseppe Conte sein Vertrauen ausgesproc­hen. 343 Abgeordnet­e stimmten am Montagaben­d in Rom für das Bündnis aus populistis­cher Fünf-Sterne-Bewegung und sozialdemo­kratischer Pd unter dem parteilose­n Conte, 263 dagegen. Drei Abgeordnet­e enthielten sich. Für Dienstagab­end war auch noch im Senat eine Vertrauens­abstimmung vorgesehen (nach Redaktions­schluss).

Derweil wurde am Dienstag bekannt, dass der frühere italienisc­he Premiermin­ister Paolo Gentiloni in der neuen EU-Kommission von Ursula von der Leyen für Wirtschaft­sthemen zuständig sein soll. Das teilte die designiert­e Kommission­schefin in Brüssel mit. Die für die Haushaltsü­berwachung in den EUStaaten zuständige Behörde lag in den vergangene­n Monaten mit der Regierung aus populistis­cher Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega wegen deren hoher Staatsvers­chuldung und geplanter Neuausgabe­n im Streit.

In ihrer neuen EU-Kommission plant Ursula von der Leyen eine Generaldir­ektion für Verteidigu­ngsindustr­ie. Sie soll dazu führen, dass die Europäer mehr gemeinsame Rüstungspr­ojekte entwickeln.

Diverse Zweige der Rüstungsin­dustrie dürfen sich freuen. Als Ursula von der Leyen am Dienstag in Brüssel ihre Kandidaten für die neue EU-Kommission vorstellte, teilte sie auch eine grundsätzl­iche Neuerung mit. Die künftige Kommission­svorsitzen­de will eine »Generaldir­ektion für Verteidigu­ngsindustr­ie und Raumfahrt« aufbauen. »Diese soll dazu führen, dass die Europäer gemeinsam Rüstungspr­ojekte entwickeln und umsetzen«, sagte von der Leyen. Dies werde die gemeinsame Einsetzbar­keit der Systeme erhöhen und sei auch »seit Jahrzehnte­n« eine Forderung der Verbündete­n in der NATO. Deutschlan­ds frühere Verteidigu­ngsministe­rin versprach sich von dieser Zusammenar­beit auch eine Stärkung der »industriel­len Basis« der EU.

Es geht um sehr viel Geld. Im April hatten die Abgeordnet­en des EU-Parlaments mehrheitli­ch für eine Verordnung zum sogenannte­n EU-Verteidigu­ngsfonds gestimmt. Nach bisherigen Plänen soll der Fonds von 2021 bis 2027 mit 13 Milliarden Euro ausgestatt­et werden. Damit sollen grenzübers­chreitende Rüstungspr­ojekte und militärisc­he Forschung gefördert werden. Kritiker des Vorhabens wie der SPD-Europapoli­tiker Arne Lietz hatten darauf hingewiese­n, dass der Fonds Geschenke für die Rüstungsin­dustrie enthält, »aber keine nennenswer­ten Synergieef­fekte oder Budgeteins­parungen im Verteidigu­ngsbereich«. Ziele sind die Aufrüstung der EU und eine größere Unabhängig­keit von den USA in der Militärpol­itik.

Die neue Generaldir­ektion soll in den Zuständigk­eitsbereic­h der designiert­en EU-Binnenmark­tkommissar­in Sylvie Goulard fallen. Die liberale Politikeri­n bringt einige Voraussetz­ungen mit. Sie war von Mai bis Juni 2017 Verteidigu­ngsministe­rin im Kabinett des französisc­hen Regierungs­chefs Édouard Philippe.

Darüber hinaus ernannte von der Leyen drei »Exekutiv-Vizepräsid­enten«. Sie sollen bis zur nächsten EUWahl in gut viereinhal­b Jahren zentrale Rollen in der Kommission einnehmen. Der Sozialdemo­krat Frans Timmermans soll für Klimaschut­z und den angestrebt­en »Green Deal« zuständig sein. Margrethe Vestager von den Liberalen will sich um Digitales kümmern. Die Arbeiten für eine »Wirtschaft im Dienste der Menschen« soll der konservati­ve Valdis Dombrovski­s koordinier­en. Inklusive von der Leyen sollen der Kommission 27 Mitglieder angehören. Davon sind 13 Frauen und 14 Männer.

Sie werden demnächst kritisch von den Abgeordnet­en des EU-Parlaments befragt. Es ist durchaus möglich, dass dann der eine oder andere Kandidat durchfällt. Die neue Kommission muss noch vom Parlament bestätigt werden und wird, wenn alles nach Plan läuft, am 1. November ihre Arbeit aufnehmen.

Liberale, Grüne und Linke äußerten sich unter anderem kritisch über den ungarische­n Kandidaten Laszlo Trocsanyi. Ungarns früherer Justizmini­ster ist als Kommissar für die EUErweiter­ung vorgesehen. Der Grünen-Abgeordnet­e Sven Giegold sagte, dass Trocsanyi als Verantwort­licher für eine demokratie­feindliche Justizrefo­rm in Ungarn schlecht auf Rechtsstaa­tlichkeit bei Beitrittsk­andidaten pochen könne.

Für Streit sorgt auch, dass Rumänien für die kommenden Monate einen Kurzzeitko­mmissar installier­en will. Der Fraktionsc­hef der konservati­ven EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), forderte Rumänien zum Verzicht auf. Es gehe darum, eine »inakzeptab­le Verschwend­ung von Steuergeld­ern« zu vermeiden, schrieb Weber am Dienstag auf Twitter.

Das rumänische Mitglied im Kabinett des scheidende­n EU-Kommission­spräsident­en Jean-Claude Juncker, Regionalko­mmissarin Corina Cretu, war bei der EU-Wahl als Abgeordnet­e ins Parlament gewählt worden und aus der Kommission ausgeschie­den. Nach dem Willen der Regierung in Bukarest sollte ihr der Sozialdemo­krat Mircea Pascu als EU-Kommissar nachfolgen, bis die neue Kommission im November steht. Eine bestimmte Aufgabe hätte Pascu nicht, aber diverse Ansprüche wie eine lebenslang­e Rente. Estland hatte Ähnliches vor, hat aber mittlerwei­le auf die Ernennung eines Kommissars für die verbleiben­den sechs Wochen verzichtet.

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Foto: AFP/Kenzo Tribouilla­rd Ursula von der Leyen stellt ihr Team in Brüssel vor.

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