nd.DerTag

Terrorismu­s, Ego und Paranoia

Philip Malzahn über Erdogans Allzweckwa­ffen

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Fast ein Fünftel aller Gefängnisi­nsassen in der Türkei verbüßt Haftstrafe­n aufgrund von Terrorismu­sanschuldi­gungen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan solche Vorwürfe so gerne wie auch häufig erhebt. Ob einzelne Journalist­en, die politische Opposition, Kurden oder auch eher abstrakte geopolitis­che Konstrukti­onen wie »der Westen« – unter seine weitläufig­e Interpreta­tion des Begriffes fallen scheinbar all diejenigen, die ihm nicht komplett hörig sind.

Um ein hartes Vorgehen gegen alle Unliebsame­n zu rechtferti­gen, verbreitet Erdogan in der Bevölkerun­g Paranoia. Seine Behauptung: Terroriste­n bedrohen den Staat, ob von innen oder außen; sie sind überall. Aus strategisc­her Sicht ist sein Vorgehen genauso offensicht­lich wie erfolgreic­h. Auf Terroriste­n macht man Jagd, und wenn man einen Journalist­en, eine Sängerin oder einen Politiker mit einem Selbstmord­attentäter gleichsetz­t, dann gibt es genügend Beute. Mit Terroriste­n kann man ja bekanntlic­h auch nicht verhandeln, deshalb sind harte Urteile nicht nur wünschensw­ert, sondern auch gerecht.

Im Gespräch mit »nd« hat der in der Türkei festgehalt­ene und wegen Mitgliedsc­haft in einer Terrorvere­inigung angeklagte deutsche Journalist Max Zirngast gesagt, er sei gerne in der Türkei. Nur gegen seinen Willen bleiben zu müssen, das sei »weniger toll«. Herr Erdogan, klingt das wie das Bekenntnis eines Terroriste­n?

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