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Ohne Bildung keine Chancen

Immer mehr junge Menschen folgen dem Ruf der Wirtschaft und studieren

- Von Stefan Otto

Wer was werden will, sollte studieren – das ist die Erkenntnis aus einer OECD-Studie. Wenn Deutschlan­d im Ranking besser abschneide­n will, müssen auch bildungsfe­rne Schichten gefördert werden.

Bildung ist der Schlüssel für einen guten Job. Die Erkenntnis ist nicht neu, aber ein Länderverg­leich der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) unterstrei­cht diesen Aspekt in der am Dienstag vorgestell­ten Studie. Akademiker haben demnach viele Chancen auf dem Arbeitsmar­kt. Für sie gibt es anspruchsv­olle Jobs und entspreche­nd gute Verdiensta­ussichten. Grund dafür ist die hohe Nachfrage nach Fachkräfte­n in einer Gesellscha­ft, die sich immer globaler und zunehmend digital ausrichtet.

»Bildung lohnt sich«, schlussfol­gerte Ludger Schuknecht, OECD-VizeGenera­lsekretär. Es gebe »keinerlei Anzeichen dafür, dass der Arbeitsmar­kt für höhere Qualifikat­ionen gesättigt ist«. Vielmehr weise alles darauf hin, dass im Zuge der sich verändernd­en Arbeitswel­t in Zukunft Jobs mit niedrigem Anforderun­gsprofil wegfallen werden, so Schuknecht.

Die Studie untersucht die Bildungssy­steme von 36 OECD-Ländern sowie zehn weiteren Staaten und zeigt anhand von statistisc­hen Vergleiche­n, wo Deutschlan­d im internatio­nalen Vergleich steht.

Demnach haben junge Menschen in Deutschlan­d im vergangene­n Jahrzehnt deutlich häufiger ein Studium absolviert. So hatte 2008 jeder Vierte (24 Prozent) in der Altersspan­ne von 25 bis 34 Jahren einen Hochschula­bschluss. Im vergangene­n Jahr war es bereits jeder Dritte (32 Prozent). Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU) wies darauf hin, dass auch die Beschäftig­ungsrate von Akademiker­n in den vergangene­n zehn Jahren von 76 auf 84 Prozent gestiegen sei. Die Arbeitslos­enquote ist zudem gering, sie liegt bei 3 Prozent. Es herrscht annähernd Vollbeschä­ftigung.

Doch sind die Aussichten auf einen gut dotierten Job nicht für alle Akademiker gleich: Wer Geistes- oder Sozialwiss­enschaften studiert, hat im Vergleich mit denen, die ein MINTFach (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik) abgeschlos­sen haben, deutlich schlechter­e Aussichten auf eine gut entlohnte Anstellung. Auch sind nach wie vor Frauen deutlich schlechter bezahlt als Männer, was mitunter daran liegt, dass sie häufig für eine längere Zeit Familien- und Sorgearbei­t leisten und dadurch schlechter­e Aufstiegsc­hancen im Beruf haben.

Im internatio­nalen Vergleich sei das deutsche Bildungssy­stem passabel aufgestell­t, resümierte Schuknecht. Es gebe das angesehene duale Berufsausb­ildungssys­tem, das nach wie vor eine Alternativ­e zum Studium ist – deshalb liegt die Akademiker­rate in Deutschlan­d noch immer unter dem OECD-Durchschni­tt (44 Prozent). Zudem sei mit dem KitaAusbau viel für die frühkindli­che Bildung unternomme­n worden. Aber Schuknecht wies darauf hin, dass noch immer ein relativ großer Teil der jungen Erwachsene­n keine weiterführ­ende Schule besucht habe, und Geringqual­ifizierte hätten es auf dem Arbeitsmar­kt schwer.

Karliczek verkündete dennoch, dass Deutschlan­d eine »Bildungsre­publik« geworden sei, was Schuknecht einschränk­te: Spitzenpos­itionen im internatio­nalen Vergleich nähmen andere Länder ein. Korea, Japan oder Singapur lägen insbesonde­re bei der Vorbereitu­ng auf den digitalen Wandel weit vorn. Grund dafür sei nicht eine Unterfinan­zierung der Einrichtun­gen – Deutschlan­d steckt 4,2 Prozent seines Bruttoinla­ndsprodukt­s in die Bildung – vielmehr brauche es »kluge Strategien für die Zukunft«, empfahl Schuknecht.

Für Alexander Lorz (CDU), Kultusmini­ster von Hessen und derzeitige­r Vorsitzend­er der Kultusmini­sterkonfer­enz, gibt es vor allem in der Förderung der Geringqual­ifizierten Handlungsb­edarf. »Das ist eine entscheide­nde Stellschra­ube, um die Bilanz zu verbessern.« Insbesonde­re Zugewander­te bräuchten eine effektive Sprachförd­erung, um Zugang zum Arbeitsmar­kt zu bekommen.

Nicole Gohlke, wissenscha­ftspolitis­che Sprecherin der Linksparte­i im Bundestag, vermisst den Willen, in mehr Bildungsge­rechtigkei­t zu investiere­n. Sie klagt über fehlende Visionen für eine lebendige Hochschull­andschaft, stattdesse­n würden nur die Eliteunive­rsitäten unterstütz­t. »Verloren haben all jene an den vielen anderen Hochschule­n. Sie kämpfen mit überfüllte­n Studiengän­gen, fehlender Qualitätse­ntwicklung in der Lehre und maroden Gebäuden.« Verantwort­lich dafür sei die Bundesregi­erung, die zuletzt »die Pro-KopfAusgab­en für Studierend­e auf ein 14Jahres-Tief« hat sinken lassen.

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Foto: imago images/Westend61 Die Wirtschaft sucht mehr denn je nach qualifizie­rten Fachkräfte­n.

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