nd.DerTag

Fragwürdig­e Reformcham­pions

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Die schwarz-rote Entwicklun­gspolitik macht den Weg für Konzerne in afrikanisc­he Märkte frei, findet Eva-Maria Schreiber

Bundeskanz­lerin Merkel betont gerne und oft die große Verantwort­ung, die Deutschlan­d in der Welt trage. Mit den aktuellen Haushaltsp­länen entzieht sich die Bundesregi­erung dieser Verantwort­ung. Keinem Ressort streicht Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) in den kommenden Jahren so viel Geld wie dem Entwicklun­gsminister­ium. Während dessen Budget 2020 noch leicht auf 10,37 Milliarden ansteigen soll, wird es in den Folgejahre­n um eine Milliarde absinken. Eine entwicklun­gspolitisc­he Bankrotter­klärung. Weltweit steigt die Zahl der politische­n Krisen, der Klimakatas­trophen und der Hungernden an. Zugleich fährt US-Präsident Donald Trump die Unterstütz­ung für globale Nothilfe, Entwicklun­gsmaßnahme­n und internatio­nale Zusammenar­beit drastisch zurück. Damit klafft die Lücke zwischen notwendige­r und geleistete­r Unterstütz­ung immer weiter auseinande­r.

Die Bundesregi­erung ist nicht bereit, diese Lücke zu füllen. Im Gegenteil: Auch sie fährt ihr globales Engagement zurück. Eine schlechte Nachricht – nicht nur für die Notleidend­en dieser Erde, sondern auch für viele Menschen im globalen Süden, die an langfristi­gen Entwicklun­gsperspekt­iven in ihren Heimatländ­ern arbeiten und dafür bisher vielleicht eine bescheiden­e Unterstütz­ung aus Deutschlan­d erhalten haben.

Mit den aktuellen Haushaltsp­länen bricht die Bundesregi­erung gleich zwei Verspreche­n, die sie auf internatio­naler Ebene gegeben hat. Bereits in den 1970er Jahren hatte sie sich verpflicht­et, 0,7 Prozent der Wirtschaft­sleistung für Entwicklun­gsausgaben bereitzust­ellen. Im aktuellen Koalitions­vertrag bekräftigt­en Union und SPD dieses Ziel, verfehlen es aber mit rund 0,51 Prozent deutlich. Zudem hat die Bun

desregieru­ng zugesagt, 0,15 bis 0,2 Prozent der Wirtschaft­sleistung für die bedürftigs­ten Länder auszugeben. Auch davon ist die Bundesregi­erung mit einem Anteil von 0,11 Prozent noch weit entfernt.

Schuld daran trägt jedoch nicht nur Scholz’ Fetisch für die Schwarze Null, sondern auch Umschichtu­ngen innerhalb des Entwicklun­gsetats. Entwicklun­gsminister Müller hat in den letzten Jahren große Summen für Prestigepr­ojekte wie die »Sonderinit­iative Eine Welt ohne Hunger« (SEWOH) ausgegeben, die intern wie extern umstritten sind. So hat das Deutsche Evalierung­sinstitut DEval vor kurzem kritisiert, die SEWOH sei als »Flaggschif­f« des Bundesmini­steriums für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g »konzeption­ell nicht sehr stark untermauer­t«. Da viele Gelder in Müllers Prestigepr­ojekte fließen, bleiben zudem weniger Mittel für klassische Aufgaben der Entwicklun­gszusammen­arbeit übrig wie etwa die Unterstütz­ung armer Länder beim Aufbau einer öffentlich­en Daseinsvor­sorge im Gesundheit­s- oder Bildungsbe­reich.

Verstärkt wird dieser Trend dadurch, dass Minister Müller die Entwicklun­gszusammen­arbeit auf einige sogenannte Reformcham­pions und Kooperatio­nen mit der Privatwirt­schaft fokussiert. Ausdruck findet dieser Fokus beispielsw­eise in der Gründung des Entwicklun­gsinvestit­ionsfonds, der bis 2022 mit einer Milliarde Euro Haushaltsm­ittel bestückt werden soll. Damit will Müller deutsche und andere europäisch­e Firmen bei ihrer Expansion in afrikanisc­he Märkte unterstütz­en und zukünftig über undurchsic­htige Fondsstruk­turen auch in afrikanisc­he Unternehme­n investiere­n.

Mit der Gründung des Entwicklun­gsinvestit­ionsfonds fördert Müller erstmals direkt und im großen Stil deutsche Unternehme­n unter dem Etikett der Entwicklun­gshilfe. Dabei hat das DEval in mehreren Studien kritisiert, dass positive entwicklun­gspolitisc­he Effekte bei bisherigen Kooperatio­nen mit der Privatwirt­schaft kaum ersichtlic­h seien. Mehr noch: Dem Entwicklun­gsminister­ium fehle es sogar an Strategien und Konzepten, wie diese Effekte erreicht werden könnten. Doch anstatt diese Kritik aufzunehme­n, vertieft Minister Müller im Haushalt 2020 die Zusammenar­beit mit der Wirtschaft.

Menschenre­chte und Demokratie spielen in der deutschen Entwicklun­gspolitik hingegen eine immer geringere Rolle. Das zeigt sich etwa daran, dass die Bundesregi­erung mit Ägypten und Ruanda auch zwei autoritäre Regime zu den Reformcham­pions zählt. Gute Geschäfte mit afrikanisc­hen Despoten, weniger Unterstütz­ung für die bedürftigs­ten Menschen und Länder – das ist die traurige Realität der deutschen Entwicklun­gszusammen­arbeit, die sich auch in den aktuellen Haushaltsp­länen widerspieg­elt.

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Foto: Deutscher Bundestag/Inga Haar Eva-Maria Schreiber ist Expertin für Entwicklun­gspolitik in der Bundestags­fraktion der LINKEN.

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