nd.DerTag

Kurs auf sicheren Hafen

Berlin will mittels Gesetzesän­derung aus Seenot gerettete Flüchtling­e aufnehmen können

- Von Marie Frank

Bisher scheiterte die Bereitscha­ft der Solidarity City Berlin, aus Seenot gerettete Flüchtling­e aufzunehme­n, am Bundesinne­nministeri­um. Eine neue Bundesrats­initiative soll das künftig verhindern.

Manchmal kann ein Wort alles ändern. Insbesonde­re, wenn dieses Wort in einem Gesetz steht. Erst recht, wenn es sich dabei um das Aufenthalt­sgesetz handelt. Das besagt bislang, dass Bundesländ­er und Kommunen bei der humanitäre­n Aufnahme von Geflüchtet­en vom Einvernehm­en mit dem Bundesmini­sterium des Innern (BMI) abhängig sind. Heißt: Wenn sich Berlin dazu bereit erklärt, aus Seenot gerettete Menschen aufzunehme­n, muss das BMI zustimmen. Das hat es aber noch nie getan und alle solidarisc­hen Appelle der rot-rot-grünen Landesregi­erung liefen bislang ins Leere.

Um das zu ändern, hat der Senat am Dienstag eine Bundesrats­initiative beschlosse­n, um aus dem Wort »Einvernehm­en« das Wort »Benehmen« zu machen. Ein kleiner aber feiner Unterschie­d: Dadurch bräuchte Berlin bei der humanitäre­n Aufnahme von Geflüchtet­en nicht länger die Zustimmung des abschottun­gsfreundli­chen Heimatmini­sters Horst Seehofer (CSU) mehr, sondern müsste das BMI lediglich darüber informiere­n. Mit dem Gesetzesen­twurf zur Änderung von § 23 Aufenthalt­sgesetz aus dem Hause von Innensenat­or Andreas Geisel (SPD), will die Koalition dem Anspruch als solidarisc­he Stadt und sicherer Hafen endlich gerecht werden.

»Wir sind ja nicht umsonst in dem Solidarity-City-Netzwerk«, sagt der Sprecher der Innensenat­sverwaltun­g, Martin Pallgen dem »nd«. Berlin, Hamburg und Bremen hätten sich in der Vergangenh­eit bereits mehrfach bereit erklärt, aus Seenot gerettete Flüchtling­e unkomplizi­ert aufzunehme­n – ohne Erfolg. »Bereitscha­ft zu erklären ist das eine, auch wirklich handeln zu können, das andere«, so Pallgen. Vor dem Hintergrun­d der humanitäre­n Katastroph­e im Mittelmeer wolle Berlin jedoch handeln.

»Obwohl sich viele Städte zur Aufnahme bereit erklären, werden sie momentan vom Innenminis­terium gebremst und die Flüchtling­e müssen wochenlang auf hoher See ausharren. Das ist eine humanitäre Zumutung«, findet auch die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der Linksfrakt­ion, Katina Schubert. Sie begrüßt daher die Bundesrats­initiative: »Die Herausford­erung besteht nun darin, andere Bundesländ­er zu finden, die das unterstütz­en.« Die Landeschef­in der Berliner LINKEN ist jedoch zuversicht­lich, dass die SPD- und grünregier­ten Länder zustimmen werden. Möglicherw­eise nicht nur die: Dem Seebrücke-Bündnis »Städte Sicherer Hafen« haben sich auch CDU-Bürgermeis­ter angeschlos­sen.

Für die Initiative Seebrücke ist der Gesetzesen­twurf ein »Schritt in die richtige Richtung«. »Es ist gut, dass die Städte nicht nur sagen, dass sie die Menschen aufnehmen wollen, sondern auch die rechtliche­n Schritte dafür schaffen«, sagt Sprecherin Liza Pflaum dem »nd«. Ob die aus Seenot geretteten Menschen dann auch tatsächlic­h umgehend von den Städten aufgenomme­n werden können, stehe auf einem anderen Blatt. »Wir betreten hier Neuland. Die Landesaufn­ahmeprogra­mme dauern bisher zu lange«, meint sie. Dass die Initiative im Bundesrat Erfolg haben könnte, bezweifelt Pflaum angesichts der wachsenden Anzahl der Städte, die sich zum sicheren Hafen erklären, nicht.

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Foto: imago images/Carsten Thesing Seebrücke-Protest in Berlin

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