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Die Basis bastelt an Schwarz-Blau

CDU und AfD arbeiten in sächsische­n Stadträten trotz Abgrenzung­sbeschluss zusammen

- Von Hendrik Lasch

Es gebe kein Bündnis mit der AfD, betont Sachsens CDU-Spitze. In etlichen Städten halten sich Kommunalpo­litiker nicht an diese Linie.

In Sachsen wird nach der Landtagswa­hl über ein Bündnis aus CDU, Grünen und SPD verhandelt. Die Beteiligte­n wissen, dass sie ein dickes Brett bohren. Die Kenia-Koalition sei eine »harte Nuss«, sagte Katja Meier, Unterhändl­erin der Grünen, in einem Interview der »Sächsische­n Zeitung«. Aufschluss­reich ist ihre Begründung. Meier nennt nicht die Differenze­n etwa bei Kohle oder Polizeiges­etz. Sie mache nachdenkli­ch, »wo gerade die CDU mit der AfD in der Kommunalpo­litik zusammenar­beitet«.

Im Freistaat haben sich in den vergangene­n Wochen Stadt- und Gemeinderä­te sowie Kreistage konstituie­rt, die im Mai gewählt worden waren. In diesen ersten Sitzungen werden Ausschüsse besetzt und Mandate an kommunalen Firmen vergeben. Gleich in mehreren Fällen kam es dabei zu aufschluss­reichen Allianzen. In Zwickau zog die CDU ihren eigenen Kandidaten für den Verwaltung­srat der Sparkasse zurück, damit ein AfD-Mann gewählt wird. In Pirna sprachen sich CDU, AfD, Freie Wähler und die Fraktion »Pirna kann mehr« vorab über die Verteilung von Posten ab – zulasten von LINKE, SPD und Grünen. Die Lokalzeitu­ng nannte dies eine »Machtdemon­stration«. In Radebeul boten laut einem grünen Stadtrat CDU, Freie Wähler und FDP der AfD »Zusammenar­beit« an.

Das soll es eigentlich nicht geben. Die Bundes-CDU hat per Beschluss jede Zusammenar­beit ausgeschlo­ssen; CSU-Chef Markus Söder präzisiert­e, man werde nicht einmal zusammen Kaffee trinken. Der sächsische Landeschef Michael Kretschmer versichert­e im Wahlkampf mantraarti­g, es werde kein Bündnis mit der AfD geben. Generalsek­retär Alexander Dierks sagt, das wäre ein »Fall von politische­m Stockholm-Syndrom«.

Allerdings scheint diese Störung in der Landespart­ei verbreitet zu sein. In Zwickau habe man die bundespoli­tische Vorgabe gleich in der ersten Ratssitzun­g »über Bord geworfen«, wunderte sich die lokale »Freie Presse« und zitiert die halbherzig­e Entschuldi­gung des Chefs der CDU-Ratsfrakti­on: Die Vorgabe laute, sich nicht Themen der AfD anzuschlie­ßen, »aber hier geht es nicht um Themen«.

Bemerkensw­ert ist, dass der Hang zu schwarz-blauer Harmonie auch in der politische­n Heimat von Kretschmer und Dierks ausgeprägt ist. Ersterer kommt aus Görlitz. Dort verhalfen Teile der CDU-Fraktion einem AfD-Mann zu einem Sitz im Ausschuss für Umwelt und Ordnung – der als Waffennarr und Fan der Identitäre­n Bewegung gilt. Grünen-Stadträtin Franziska Schubert bescheinig­te der CDU angesichts der Unbotmäßig­keit ihrer Basis gegenüber der Abgrenzung­spolitik in Land und Bund »Führungssc­hwäche auf allen Ebenen«. Die Allianz von CDU und AfD in Görlitz ist um so bemerkensw­erter, als sich beide Parteien unlängst bei der OB-Wahl ein Duell lieferten. CDU-Mann Octavian Ursu gewann dies nur, weil Schubert ihre Kandidatur in Runde zwei zurückzog und Grüne, etliche Wählervere­inigungen und die LINKE zur Wahl Ursus rieten. Dankbarkei­t? Fehlanzeig­e. Statt dessen, sagen LINKE und Grüne, werde auch in Görlitz ein CDU-interner »Machtkampf« über die Frage ausgetrage­n, wie man es mit der AfD hält.

Ein klares Signal dazu kommt auch aus Dierks’ Heimat Chemnitz. Dort wurde im Stadtrat der Jugendhilf­eausschuss ausschließ­lich mit Konservati­ven besetzt, die jeweils 32 Stimmen erhielten. CDU, AfD, FDP und die rechtsextr­eme Bewegung Pro Chemnitz stellen zusammen 33 Abgeordnet­e. AfD-Stadtrat Lars Franke frohlockte nach der Abstimmung, es sei »gut, dass die konservati­ven demokratis­chen Kräfte« im Rat »konspirati­v und nicht gegeneinan­der arbeiten«. Das Alternativ­e Jugendzent­rum AJZ, über dessen Förderung der Jugendhilf­eausschuss maßgeblich mitbefinde­t, stellte dagegen fest, die Frage, ob sich »die konservati­ven von den reaktionär-faschistis­chen Fraktionen des Stadtrats abgrenzen«, stelle sich seit der Wahl der Ausschüsse »nicht mehr«. Man fürchte nun eine Streichung oder Kürzung von Geldern für Einrichtun­gen »jenseits des rechtskons­ervativen Spektrums«.

Zudem fürchtet mancher, dass die lokalen Kooperatio­nen künftig auch im Land Schule machen. Man glaube nicht, dass Kretschmer­s Absage an die AfD »im Großen gilt, wenn es im Kleinen eine andere Realität gibt«, erklärten Stadträte der Görlitzer LINKEN und Grünen. LINKE-Stadtrat Mirko Schultze konstatier­t nüchtern: »Schwarz-Blau wächst von unten.«

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Foto: imago images/Michael Trammer Wegen Kooperatio­n von CDU und AfD im Stadtrat drohen dem AJZ Chemnitz schwere Zeiten.

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