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Fledermaus­domizil an der Autobahn 14

Nach Verzögerun­gen laufen in Sachsen-Anhalt die Arbeiten an einem neuen, alten Straßenpro­jekt

- Von Wolfgang Benndorf

Mit der Nordverlän­gerung der A14 wird ein »Bypass« für die überlastet­en Autobahnen 2 und 7 gelegt. Sachsen-Anhalts Innenminis­ter preist das teure Projekt als »grünste Autobahn Deutschlan­ds«.

Eine breite Schneise durchzieht den einst dichten Wald zwischen Colbitz und Dolle nördlich von Magdeburg. Wie ein Lindwurm quält sich die Fahrzeugko­lonne auf der Bundesstra­ße 189 an der Baustelle für die Nordverlän­gerung der Autobahn 14 vorbei. Eine riesige Maschine zieht dort das Betonband für die künftige Fahrbahn. Ende 2020 werden auf dem acht Kilometer langen Abschnitt bis zur Anschlusss­telle Tangerhütt­e die Fahrzeuge rollen. Das 16 Kilometer lange Folgestück bis Lüderitz soll im Jahr darauf fertig sein.

Die A14-Nordverlän­gerung bzw. der Lückenschl­uss zwischen den bestehende­n Anschlusss­tellen Dahlenwars­leben nahe Magdeburg und Schwerin, umfasst 155 Kilometer. Baustart war 2011. Während die 26 Kilometer in Mecklenbur­g-Vorpommern und ein Großteil der 32 Kilometer im Land Brandenbur­g bereits fertig sind, rollt in Sachsen-Anhalt seit 2014 bisher nur auf fünf von insgesamt 97 Kilometern der Verkehr.

Mit der Verlängeru­ng vollendet sich ein altes Projekt. Die Idee, die damals wirtschaft­sstarke Region durch eine Autobahn mit den Ostseehäfe­n zu verbinden, entstand Ende der 1920er Jahre. Sie sollte von Dresden über Halle und Magdeburg nach Hamburg führen. Der Abschnitt von Peißen bis Leipzig-Ost wurde mit dem Autobahnkr­euz bei Schkeuditz in den 1930ern fertig. Die A14 blieb hingegen lange unvollende­t, obwohl die Weiterführ­ungen über Magdeburg und Lüneburg nach Hamburg bereits projektier­t und erste Bauten errichtet waren. Der Zweite Weltkrieg unterbrach die Arbeiten.

In Sachsen-Anhalt folgte bislang jedem Planfestst­ellungsbes­chluss eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND). Die Organisati­on stemmte sich lange gegen die Autobahn, die ökologisch sensible Bereiche wie die Colbitz-Letzlinger Heide oder die Aland-Elbe-Niederung durchschne­idet. Immer neue gesetzlich­e Vorgaben verzögerte­n die Planungen zusätzlich. Auch Anliegerge­meinden klagten, vor allem auf mehr Lärmschutz.

Doch Planer und Gegner setzten sich an einen Tisch und verkündete­n nun einen Kompromiss. Die Stadt Seehausen hat ihre Klage allerdings noch nicht zurückgezo­gen. Doch die Signale stehen auf grün. So verzichtet der BUND gegen Zusagen weiterer Umwelt-, Natur- und Lärmschutz­maßnahmen auf juristisch­e Schritte gegen die restlichen Abschnitte.

Die Baukosten stiegen unterdesse­n mit jedem Jahr Verzögerun­g. Nach Angaben von Sachsen-Anhalts Verkehrsmi­nister Thomas Webel (CDU) beläuft sich der Mehraufwan­d mittlerwei­le auf rund 15 Millionen Euro. Derzeit rechnet Webel mit einer Gesamtinve­stitionssu­mme von 1,3 Milliarden Euro. Ursprüngli­ch sollte die A14-Nordverlän­gerung 2018 fertig sein. Nun spricht der Minister von »Mitte der 2020er«.

Kommunalpo­litiker verbinden mit dem Anschluss an das überregion­ale Schnellstr­aßennetz die Hoffnung auf einen ökonomisch­en Entwicklun­gsschub für die struktursc­hwache Region. »Die A14 wird eine neue Hauptschla­gader für unseren Landkreis und die gesamte Altmark«, sagt Stendals Landrat Carsten Wulfänger (CDU).

Für die Verkehrspl­aner hat das Projekt vor allem überregion­ale Bedeutung. Die A14-Nordverlän­gerung schließt die größte Lücke im deutschen Autobahnne­tz. Sie soll nicht nur Infrastruk­tur für die Wirtschaft schaffen, sondern auch einen »Bypass« für die chronisch überlastet­en Autobahnen 2 und 7 (Magdeburg – Hannover – Hamburg) bilden.

Zu DDR-Zeiten wurde die Strecke von Leipzig Ost bis zum Dreieck Nossen (A4) gebaut und 1970/71 übergeben. Die Verlängeru­ng von Halle nach Magdeburg war vorgesehen. Nach dem politische­n Umbruch wurde die 80 Kilometer lange Strecke als Teil des Verkehrspr­ojekts »Deutsche Einheit«, Nummer 14, gebaut und im Jahr 2000 fertiggest­ellt.

Fast 20 Jahre sind seitdem vergangen. Die Verlängeru­ng in Sachsen-Anhalt soll sich in den kommenden Jahren Stück für Stück vervollstä­ndigen. Während zwischen Stendal und Osterburg bereits Baurecht vorliegt, läuft für das Zwischenst­ück noch eine Klagefrist. Wenn niemand klagt, könnten hier im kommenden Jahr die Bagger anrücken und 30 Kilometer am Stück gebaut werden. Und Bauen heißt bei dieser Strecke eben nicht nur Beton und Böschung.

Landesverk­ehrsminist­er Webel spricht gern von »der grünsten Autobahn Deutschlan­ds« und verweist auf besonders hohe Umweltschu­tzstandard­s. Ein Viertel der Bausumme ist für Krötentunn­el, Wildbrücke­n oder die Schaffung neuer Ökosysteme vorgesehen. Im Wald bei Colbitz entstand zum Beispiel aus einem früheren Bunker der Sowjetarme­e ein Fledermaus­domizil.

Ein Viertel der Bausumme ist für Krötentunn­el, Wildbrücke­n oder neue Ökosysteme vorgesehen.

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Foto: dpa/Sebastian Willnow Baustellen­beginn kurz vor dem Ende der A14 bei Staßfurt

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